Eine Reise durch Südamerika entlang der Panamerica bis nach Feuerland
Der Sinn des Reisens besteht darin,
die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen,
und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten,
sie so zu sehen, wie sie sind.
Samuel Johnson, englischer Schriftsteller
6. Dezember
Bereits gestern Nachmittag Ortszeit 17.50 saßen wir auf unseren Plätzen der Boeing 747-8, die an diesem Tag für den dreizehnstündigen Lufthansa Flug LH511 von Buenos Aires nach Frankfurt eingesetzt wurde. Es war sicherlich eine der besseren Abflugzeiten, konnte man doch davon ausgehen, dass wir einen Großteil des Flugs bei Dunkelheit erleben würden, und damit die reelle Chance bestand für einen längeren Zeitraum am Stück zu schlafen.
Ich freute mich auf nach 54 Reisetagen wieder mal nach zuhause zu kommen. Die Ergebnisse, die wir hatten waren intensiv, beeindruckend, aber auch anstrengend. Die Höhe des Andengebirges, die Vierjahreszeitentage, die zunehmende Kälte in Patagonien und Feuerland war nicht immer angenehm aber was bleibt sind die Erinnerungen an die großartigen Erlebnisse unterwegs. Ein letzter Mammutakt war dieser Flug mit wenig Beinfreiheit und in Begleitung einer Stewardess mit Haaren auf den Zähnen. Noch ein letztes Mal Boarding in die Maschine nach Stuttgart und die Heimfahrt mit S-Bahn und Taxi ins kalte, winterliche Schönaich. Dann hatten wir es geschafft und ich war mir sicher, dass ich mich zuhause ohne Schwierigkeiten wieder auf Anhieb gut zurecht finden würde. Zum Abschluss noch ein Dankeschön an meine Frau Silvia, mit der ich nun doch fünf Wochen am Stück Tag und Nacht zusammen unterwegs war. Es ist angenehm mit ihr zu reisen und wir ergänzen uns unterwegs sehr gut. Unsere nächste gemeinsame Reise nach Finnland im März nächsten Jahres ist bereits geplant und ich wage zu vermuten, dass ich für die Nachbereitung dieser Südamerika-Reise die Wochen bis dahin benötigen werde.
Es sind jetzt noch 30 Minuten Landeanflug nach Frankfurt und die Haare auf den Zähnen der Lufthansa-Stewardess schimmern im Morgenlicht, als sie mir zum wiederholten Mal mit dem Kaffeewagen an mein zu weit ausgestrecktes Bein fährt. Es gibt wichtigeres im Leben denke ich und eins davon ist, dass ich sagen kann "Ich war bereits einmal in Südamerika".
5. Dezember
Maradona oder Messi? Diese Frage wird einem unweigerlich gestellt wenn man durch das Stadtviertel La Boca in Buenos Aires schlendert und den Schildern zum blaugelben Stadion "La Bombonera" folgt.
Es ist fast wie wenn man sich zwischen zwei Religionen entscheidet, denn die Charaktere dieser beiden Herren könnten nicht unterschiedlicher sein. Lionel Messi wurde bereits in jungen Jahren in geplanter Fürsorge auf seine große Fußballkarriere vorbereitet. Der Plan ging schon früh auf und seine Titelsammlung würde im Gegensatz zu der von Maradonas Sammlung locker das aus Pressspan gefertigte Sideboard in der Stadiongaststätte des SV Vaihingen sprengen. Doch spielen in dieser faszinierenden Fußballwelt auch noch andere Faktoren eine Rolle. Besticht Lionel Messi durch seine Fußballkunst, die eine beinahe artistische Feinheit besitzt, bemüht Maradona auch gerne einmal die Hand Gottes zur Hilfe um unsterblich zu werden. Hört man Messi mit einem leichten Gähnen zu, wenn er nach dem Spiel die vergangenen neunzig Minuten analysiert, so erklärt der schlitzohrige Instinktfußballer Maradona mit frecher Selbstverständlichkeit bzw. selbstverständlicher Frechheit warum die Engländer im Sommer 1986 zurecht im Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft das Nachsehen gegenüber dem späteren Weltmeister Argentinien hatten.
Ich für meinen Teil habe mich schnell entschieden, und beschließe diese Entscheidung plakativ nach außen zu tragen. Jaaaa. Diego hatte Recht. Es war die Hand Gottes, die dafür sorgte, dass diese Gurkentruppe aus England ihre Koffer packen musste. Und auch wenn Dietrich, in meinen Augen ein formidabler Fußballexperte, sofort nach Bekanntwerden meiner Entscheidung Maradonas Beitrag zum Weltpokalsieg der Boca Juniors gegen seine "Fohlenelf" im Jahre 1977 als unverzeihlich kritisiert, so weiß ich doch dass dies eher den Stolz in seinem Herzen über die große Borussia-Vergangenheit widerspiegelt als nachtragende Gekränktheit eines Fußballfans.
4. Dezember
Es ist Frühling in der Stadt und es herrschen angenehm warme Temperaturen.
Rund 13 Millionen Menschen leben im Großraum von Buenos Aires, das wegen seines europäischen Flairs als Paris Südamerikas gilt. Leider haben wir nur knappe zwei Tage Zeit bevor unser Heimflug nach Deutschland geht. Das ist ein wenig knapp, denn es gibt unzählig viele Sehenswürdigkeiten, die man sich hier anschauen kann. Wir starten mit der Oper und fahren dann mit dem Bus zum Friedhof Recoleta, auf dem Eva Peron begraben ist. Wie in einer Theateraufführung tanzt vor dem Friedhof ein Mädchen Ballett zu den dramatischen Klängen von "Don't cry for me Argentina" Es ist das Lied aus dem Musical Evita über die argentinische Präsidentengattin Eva Perón aus dem Jahr 1976. Eva wurde von der argentinischen Öffentlichkeit verehrt, weil sie sich für die Rechte der Arbeiter und der Armen sowie der Frauen einsetzte. Sie starb im Alter von nur 33 Jahren auf tragische Weise an Krebs und ihr Leichnam begab sich mehrere Jahre lang auf eine mysteriöse Odyssee, bis er nach Argentinien auf den Friedhof Recoleta zurückgebracht wurde.
Weitere Besichtigungsstationen an diesem Tag sind der San Telmo Markt und der geschichtsträchtige Plaza del Mayo. Seit 1977 ziehen die Mütter der Plaza de Mayo jeden Donnerstag um die Pyramide der Maya im Zentrum von Buenos Aires. Sie tragen weiße Kopftücher als Symbol dafür das endgültige Schicksal ihrer Kinder zu erfahren, die während der letzten Diktatur verschwunden sind.
Eine sehenswerte Tangoshow im Tanzlokal Aljibe rundet den letzten Abend unserer Urlaubsreise ab. Bereits im Bett liegend frage ich mich welches eigentlich das Top Highlight in diesem Urlaub war. Da ich so müde bin und weil es wahrscheinlich keine gute Antwort auf diese Frage gibt, schlafe ich ohne Ergebnis ein.
3. Dezember
Wir sind schon ein wenig satt von den vielen Besichtigungen während dieser Reise, so dass wir beide noch im Bett liegend uns gegenseitig zum rechtzeitigen aufstehen motivieren müssen. Ich habe für heute früh eine Bootstour durch den Beagle-Kanal gebucht. Der Beagle-Kanal bildet eine natürliche Wasserstraße durch Feuerland, die Atlantik mit Pazifik verbindet. Die Tourenbeschreibung lässt erahnen, dass man während der Tour Kormorane und Seelöwen zu sehen bekommt. Jedoch hatten wir bereits in Patagonien solche Tiere beobachtet. Wenigstens begann die gebuchte Bootstour erst um 10 Uhr, so dass wir es langsam angehen lassen konnten.
Doch schon kurz nach dem Ablegemanöver realisieren wir, dass es sich hier um eine ganz andere Bootsfahrt handelt als die, die wir in ruhigem Patagonien-Gewässer hatten. Bei rauem Seegang fahren wir die vorgelagerten Inseln ab und nähern uns den Kormoranen und Seelöwen auf eine unglaublich nahe Distanz. Wir machen tolle Schnappschüsse von den Tieren, und unser Tourguide macht sogar noch ein kleines Foto-Shooting bei Wellenhochgang mit uns. Danach fahren wir mit dem Boot wieder zurück in den Hafen von Ushuaia. Die Fahrt hat richtig Spaß gemacht und wir sind rechtzeitig zurück an Land, um noch eine Zugfahrt mit dem Tren del Fin del Mondo in den Parque National Tierra del Fugo zu machen.
Pünktlich um 19.55 Uhr startet unser Flieger der Aerolineas Argentina nach Buenos Aires.
2. Dezember
Normalerweise ist das Preisniveau in benachbarten Staaten ähnlich oder vergleichbar, aber Argentinien sprengt den Rahmen komplett. Hatten sich die Preise in Chile schon deutlich gegenüber Peru verteuert, so setzt Argentinien noch einen drauf. Als ich im Flughafen von El Calafate umgerechnet 15 Euro für ein Sandwich und eine Coca Cola bezahle, finden wir heraus, dass es in Argentinien im Juli 2024 eine enorm hohe Inflation von beinahe 300 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gab. Grund dafür ist wohl, dass Argentinien seit Jahren unter einem politisch extrem aufgeblähten Staatssektor und einem strukturellen Haushaltsdefizit leidet.
Unvorstellbar ist wie die einheimische Bevölkerung eine solche Inflationsrate meistern kann. Laut Google haben im ersten Halbjahr 2024 rund 52,9 Prozent der Menschen in urbanen Gebieten in Argentinien unterhalb der Armutsgrenze gelebt.
Ushuaia ist das nächste Ziel unserer Südamerika-Reise. Die Stadt nennt sich offiziell "das Ende der Welt " aber ich glaube nicht richtig daran. Die Argentinier sind der klaren Meinung, dass Ushuaia die südlichste Stadt der Welt ist. Es gibt zwar Siedlungen, die südlicher liegen, aber keine davon hat aus Sicht Argentiniens den Stadtcharakter. Chile ist dagegen der Ansicht, die weltweit südlichste Stadt sei Puerto Williams, eine Siedlung mit etwa 2.000 Einwohnern.
Uns kommt das vor wie ganz großes Marketing. Fast jeder Name beinhaltet irgendwo das abenteuerlich klingende "fin del mundo" und Namensbesitzer können dadurch sicherlich auch einige Argentinische Pesos mehr für ihre Dienste und Waren verlangen
1. Dezember
Gestern waren wir spätabends nach einer zweistündigen Busfahrt in El Chalten angekommen. El Chalten ist ein hübscher Ort mit schöner friedlicher Atmosphäre und unsere Unterkunft, die Fitz Roy Hosteria de Montana, bietet einen tollen Ausblick zum Fitz Roy Gebirge, in das wir heute eine siebenstündige Wandertour planen, die uns zur Laguna Torres und wieder zurück nach El Chalten führen soll.
Es ist eine prächtige Landschaft, durch die wir wandern. Vorne am Horizont stehen drei Türme vergleichbar mit den Torres del Paine und je länger die Wanderung dauert, desto klarer wird mir, dass die Türme direkt hinter der Laguna Torres stehen. Ich frage mich auch welcher von den beiden Parks denn nun schöner ist als der andere, aber ich kann die Frage nicht beantworten. Beide haben sie diese faszinierenden weißen Schneegipfel, die ich in dieser Form außerhalb Patagoniens noch nie gesehen habe. Die Wandertour ist nicht sehr schwer aber lang und nach zwanzig Wegekilometern, schmerzen meine Knie so stark, dass ich mir fest vornehme nach meiner Rückkehr von dieser Reise einen Kniespezialisten aufzusuchen.
Unser Tagesprogramm ist nach der Rückkehr von der Wanderung jedoch noch nicht beendet. Noch heute geht es mit dem Bus zurück nach El Calafate, um dort morgen früh in den Flieger nach Ushuaia, Feuerland zu steigen.
30. November
Argentinien - das ist Gaucho, Tango, Fleisch und Messi. Und ab heute für mich auch der "kalbende" Gletscher Perito Moreno. Er ist einer der größten Gletscher der südamerikanischen Anden und gehört als UNESCO-Weltnaturerbe zu den wichtigsten Touristenattraktionen Argentiniens. Im Gegensatz zu den meisten Gletschern der Region zieht sich der Perito Moreno nicht zurück, allerdings können die Geologen auch keine Tendenz zum Wachstum feststellen, da die Kalbung des Gletscherendes in den Lago Argentino dieses verhindert. Dort stößt der Gletscher an das gegenüberliegende Ufer des Sees an der Magellan-Halbinsel, zudem steigt die Wassertiefe vor den beiden Gletscherfronten rechts und links davon rapide an, was auch dort ein weiteres Vordringen des Gletschers verhindert. Der Kalbungsprozess gilt als eines der beeindruckendsten Naturschauspiele der Welt. Man kommt sich vor wie an einem Silvesternachmittag in Schönaich, wenn die Stille, die über dem ruhigen Ort liegt durch einen lauten Knall unterbrochen wird. Man schaut sich suchend um, kann aber nur erahnen, dass irgendwelche Jugendliche dabei sind ihre gekauften Chinaböller auszutesten. Hier am Perito Moreno wird der Knall vom Abbrechen einer Eiskante verursacht. Wir schauen neugierig nach allen Seiten, können die Abbruchstelle aber nicht lokalisieren. Zu gern hätten wir das Schauspiel nicht nur gehört sondern auch gesehen. Dennoch sind wir von der Mächtigkeit des Gletschers und der bläulich gefärbten Eisberge schwer beeindruckt.
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29. November
"Buenos Diaz Argentina" sang bereits die deutsche Fußballnationalmannschaft zusammen mit Udo Jürgens vor der WM 1978 in Argentinien. Ich vermute fast, dass dieses Pubertätsereignis entscheidend zu meiner Schwäche für diesen großen Künstler, diesen Caballero, beigetragen hat. Die deutsche Nationalelf jedoch trat diese Ehre mit Füßen und erlebte in Cordoba gegen Österreich eine Schmach, die durch Hans Krankls legendäres Tor zum 3:2 Sieg gegen Deutschland ihren Höhepunkt hatte. Am Grenzübergang von Chile nach Argentinien klingt mir Edi Fingers überschäumende Stimme in den Ohren „Tooor, Tooor, Tooor, I wear narrisch! " und der argentinische Grenzbeamte erscheint mir plötzlich wie der flinke südamerikanische Dribbler vom TSV Heumaden, der mich als Stammaußenverteidiger der Fußballjugend des erfolgsverwöhnten SV Vaihingen vor meiner Auswechslung zum Ende der ersten Halbzeit schwindelig gespielt hatte.
Unglaublich was sich in einem solchen Moment alles in einem einfachen Seniorengehirn abspielt. "Please go ahead" höre ich eine Stimme sagen und erwache aus diesem Albtraum. Der Grenzbeamte lächelt mich an und ich sage mit fester Stimme "Buenos Diaz Argentina. Ich war noch niemals in Südamerika."
El Calafate hat recht wenig zu bieten aber der Ort ist ein idealer Ausgangspunkt für einen Besuch des kalbenden Gletschers Perito Moreno, und es gibt dort ein Eismuseum, das sogenannte Glacarium, in dem es einzig und allein um das Thema Eis geht. Die saftigen Museumseintrittspreise erschrecken uns zwar aber ein Besuch in der ins Museum integrierten Eisbar und die dort gereichten alkoholischen Getränke retten uns den Tag.
28. November
Stuttgart und der Äquator sind fast 5500 Kilometer voneinander entfernt. Puerto Natales und der Äquator liegen ähnlich weit auseinander. Die Stuttgarter Temperaturen passen auch einigermaßen zu denen von Puerto Natales. Obwohl Silvia behauptet, dass der Sommer fehlt, gibt es in Puerto Natales den Vier-Jahreszeiten-An-Einem-Tag‐Effekt in abgeschwächter Form. Es scheint also ein kleines Stückchen Humboldtstrom auch hier sein Unwesen zu treiben. Dennoch sind die Temperaturen wärmer als erwartet, wenngleich ich doch fast durchgängig meine Daunenjacke trage. Der Reiseplan sieht heute vor noch einmal in den Torre del Paine Nationalpark zu fahren und dort zu wandern, doch haben wir gestern bereits auf unserer Bustour durch den Park sämtliche Highlights gesehen. Daher beschließen wir kurzerhand zum nahe liegenden Dorothea-Felsen zu fahren und ihn zu erwandern. Die Aussicht vom Felsen ist prächtig und der zweistündige anstrengende Aufstieg lohnt sich. Am Abend lassen wir uns, nicht zuletzt auch um meine schöne neue Scheitelfrisur zu feiern, einen Calafate Sour servieren und er schmeckt ausgesprochen lecker. Calafate ist ein Strauch, der in Patagonien heimisch ist und dessen kleine runde Frucht im reifen Zustand eine violette Farbe annimmt. Das Fruchtfleisch ist gleichzeitig süß und sauer und macht sich in dem Cocktail glänzend.
27. November
Puerto Natales gefällt uns als Städtchen sehr gut. Es gibt hier jede Menge Lokale und so etwas wie Traveller-Atmosphäre. Rund 140 Kilometer entfernt liegt der Nationalpark Torres del Paine, das in der Sprache der Techuelche Indianer "Türme des blauen Himmels" heißt. Die drei nadelartigen Granitberge „Torres del Paine“ sind das Wahrzeichen des Nationalparks. Die Berge liegen etwa in der Mitte des Parks und sind 2600 und 2850 Meter hoch. Auf der anderen Seite des Parks ragen die hornförmigen Gipfel der Cuernos del Paine aufsehenerregend hervor. Eine geführte Bustour bringt uns im Rahmen einer "Highlights-Tour" an den schönsten Aussichtspunkten vorbei. Für einen würdevollen Abschluss sorgt ein Besuch des Lago Grey, in den der riesige Grey-Gletscher hineinkalbt. Ich hatte gelesen, dass im See ab und zu ein Eisberg herumschwimmt aber trotzdem bin ich überrascht wie großartig er aussieht. Die Struktur der Oberfläche sowie die Farbe des Eisbergs sind sehr unterschiedlich, je nachdem wie alt und wie stark komprimiert das Eis ist.





26. November
Während ich die Pinguine beobachte, überlege ich was die Tiere eigentlich so drollig wirken lässt. Ich meine es ist die Ähnlichkeit in ihrem Verhalten zu Menschen oder ihr Sozialverhalten wie Silvia das nennt. Der Pinguin vor mir links kratzt sich gerade das Fell und er sieht recht glücķlich dabei aus. Rechts neben mir stolziert einer seiner Zeitgenossen in aller Seelenruhe über den Fußgängerweg. Als ihn ein anderer rechts überholt, schaut er kurz verdutzt und beschleunigt das Tempo, um sich hinter ihm einzureihen. Ich muss meine Beobachtungen leider unterbrechen, da ich nur eine Stunde Zeit habe die Pinguininsel Isla Magdalena zu umrunden. Wir sind in einem vielleicht fünfzig Personen fassenden Boot ca. 45 Minuten von Punta Arenas aus auf das offene Meer gefahren und an einer Bootsanlegestelle ausgestiegen. Wir haben Glück, denn das Wetter könnte nicht besser sein. Blue sky, only few clouds. Bei schönem Wetter ist die Weiterfahrt zur Isla Marta vorgesehen. Wir müssen zwar an Bord der Boote bleiben, beobachten aber aus ungefähr hundert Metern Distanz ganze Kolonien von Seehunden, Seelöwen und Seerobben. Beeindruckt von diesem Schauspiel tuckern wir mit unserem Boot zurück nach Punta Arenas und verbringen den restlichen Tag in der Stadt.
25. November
Würde man Chile waagerecht auf eine Europakarte legen, würde es von Lissabon bis Moskau reichen. Es ist allerdings durchschnittlich nur 180 Kilometer breit. Das entspricht etwa der Entfernung zwischen München und Nürnberg. Wegen seiner speziellen Form bezeichnen Einheimische das Land auch als "Krawatte Amerikas" – ähnlich wie Italien "Stiefel Europas" genannt wird.
Um sich in diesem Land überhaupt sichtbar auf einer Landkarte zu bewegen, muss man fliegen. Von Puerto Montt bis nach Punta Arenas, unser heutiges Tagesziel, sind es beinahe 2000 Kilometer. Das ist annähernd die halbe Länge des Landes und gute zwei Flugstunden für uns.
24. November
Ich habe nachgefragt. Und zwar bei einer nativen Chilenin, die nicht nur spanisch spricht sondern auch spanisch träumt. Caballero heißt nicht nur "Reiter" sondern auch "Gentleman". Damit bin ich sozusagen rehabilitiert und in gewisser Weise sogar mehr als das. Ich fühle mich gerecht behandelt von diesem anständigen chilenischen Volk.
Wir verlassen das Casa Werner ein letztes Mal, beladen unseren weißen Hyundai i20 mit dem Gepäck und besichtigen nacheinander das Städtchen Puerto Varas und die Stadt Puerto Montt. Der Namen der beiden Städte sind von Politikernamen abgeleitet. Manuel Montt war ein chilenischer Präsident, der die Immigration von Europäern nach der Unabhängigkeitserklärung vorangetrieben hat und Antonio Varas war in dieser Zeit sein Innenminister. Beide Städte sind recht sympathisch aber bieten keine erwähnenswerten Sehenswürdigkeiten. Gegen Abend bringen wir noch unseren Mietwagen zu Sixt zurück. Der Schalter ist unbesetzt und niemand ist da, der uns die Kaution zurückerstattet. Wie sollte es auch anders sein?
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23. November
Die Tage am Llanquihue See wollen wir gemütlich angehen und entscheiden uns heute zu einer kleinen Wanderung im wunderschönen Cochamo-Tal bei ganz gutem Wetter. Ich muss auch zugeben, dass die von Deutschen gebaute Unterkunft Casa Werner mein Interesse geweckt hat. Was waren das für Leute, die dieses Haus gebaut hatten? Warum sind sie nach Chile ausgewandert?
Die Geschichte Chiles ist vielschichtig und ich möchte mir nicht anmaßen sie verständlich auf einem Bierdeckel erklären zu können. Dennoch möchte ich versuchen eine Art Executive Summary zu erstellen. Dafür soll mir der "Die Geschichte Chiles- ein langer Weg zur Demokratie " von Hernan J. Martin dienen. Er wurde im Jahr 2021 veröffentlicht auf https://www.planet-wissen.de.
Die Gebiete des heutigen Chile waren bereits vor rund 11.000 Jahren von verschiedenen Volksgruppen besiedelt. Die indigenen Gruppen betrieben teilweise Handel und lebten friedlich miteinander, bis die mächtigen Inka im 15. Jahrhundert über das Land herfielen. Sie eroberten Gebiete bis rund 300 Kilometer südlich der heutigen Hauptstadt Santiago. Dort wurden sie von den Mapuche aufgehalten, einer indigenen Gruppe, die bis heute in Chile und Argentinien lebt.
Der Portugiese Ferdinand Magellan war der erste Europäer, der Chile entdeckte. Im Jahre 1520 umsegelte er die südliche Spitze Lateinamerikas und überquerte als erster Europäer den Pazifik. Nicht umsonst heißt die berühmte Meerenge im Süden des Landes Magellanstraße.
Erobert wurde Chile jedoch von verschiedenen Spaniern, die ab 1536 Chile über die Anden von Peru aus Stück für Stück einnahmen. Im Jahr 1540 erreichte Pedro de Valdivia Zentralchile, besiegte die lokalen Stämme und gründete am 12. Februar 1541 das spätere Santiago de Chile.
Während der Kolonialzeit kontrollierten die Spanier große Teile des heutigen Chiles. Im Süden jedoch leisteten die Mapuche weiterhin erheblichen Widerstand und setzten sich damit bis zum Abschluss der Unabhängigkeitserklärung durch.
Wie in vielen Ländern Lateinamerikas bildete sich in Chile in der Kolonialzeit die Gruppe der Mestizen – die Nachkommen von einem europäischen und einem indigenen Elternteil. Diese identifizierten sich immer weniger mit den spanischen Herrschern und verlangten im Jahr 1810 die Unabhängigkeit von Spanien.
In anderen Teilen des Kontinents kam es ebenfalls zu Unruhen. Im Osten verbündete sich der argentinische Unabhängigkeitskämpfer José de San Martín mit dem chilenischen General Bernardo O'Higgins. Es gelang mit einem Überraschungsangriff die Hauptstadt Santiago zu besetzen. Die Konquistadoren wehrten sich mit neuen Soldaten, die der spanische König schickte. Erst 1818 mit der Schlacht von Maipú, 15 Kilometer südwestlich der Hauptstadt, konnten die Freiheitskämpfer den Unabhängigkeitskrieg für sich entscheiden. O'Higgins wurde nun zum obersten Führer der neu geschaffenen chilenischen Republik ernannt. Es gelang ihm in den nächsten Jahren den Großteil der verbliebenen Spanier zu vertreiben, so dass im Jahr 1826 der Unabhängigkeitskrieg endgültig beendet war.
Der chilenische Staat stand der deutschen Migration stets sehr aufgeschlossen gegenüber. Vor allem ab 1845 versuchte die chilenische Regierung ganz gezielt die deutsche Einwanderung in die südlichen Regionen des Landes. Man erhoffte sich industrielle wie unternehmerische Impulse und und man bestrebte zugleich die Zurückdrängung der lokalen, indigenen Bewohner, die mehr Autonomie forderten. Beide Ziele gingen zu großen Teilen auf.
Zu Beginn seiner Unabhängigkeit sah Chile anders aus als heute und die Zeit war keineswegs friedlich. Im Süden kämpfte der Mapuche-Stamm weiter um die Aufrechterhaltung seiner Unabhängigkeit, aber es gelang der Regierung die Mapuche zu besiegen und das südliche Gebiet zu annektieren. So entstand die lange, schmale Form Chiles, wie wir sie heute kennen. In den 1880er-Jahren siegte Chile im Salpeterkrieg gegen Bolivien und Peru. Es folgten ein Bürgerkrieg und Grenzstreitigkeiten mit Argentinien. Auch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war geprägt von politischer und wirtschaftlicher Instabilität. Die unteren Schichten forderten eine bessere Verteilung von Reichtum und Land, während der rechte Flügel befürchtete, seine Macht zu verlieren. Zwei weitere deutsche Einwanderungswellen gab es vor und nach dem zweiten Weltkrieg. Zuerst waren es hauptsächlich Juden, die aus Angst vor Hitler Deutschland verließen und nach dem Krieg flohen diverse Nationalsozialisten vor den alliierten Kriegsgerichten.
Im Jahr 1970 wurde der sozialistisch ausgerichtete Politiker Salvador Allende der erste demokratisch gewählte marxistische Präsident der Welt. Allende verstaatlichte nach seinem Amtsantritt viele Unternehmen und verteilte den Reichtum Chiles um. Dies verärgerte den konservativen Teil der chilenischen Gesellschaft aber auch die US-amerikanische Regierung. In den folgenden Jahren schwächten Streiks, die starke Opposition im Kongress sowie die wirtschaftliche Instabilität die Allende-Regierung.
Am 11. September 1973 inszenierte der damalige Innenminister Augusto Pinochet einen Militärputsch und ließ den Präsidentschaftspalast La Moneda bombardieren, in dem sich Allende mit seiner Familie und engsten Vertrauten befand.
Während des Gefechts beging Allende in der Moneda Selbstmord. Innerhalb von Stunden besetzte Pinochets Militär sämtliche Institutionen und in den Tagen danach wurden Tausende von Allende-Anhängern festgehalten und teilweise an Ort und Stelle ermordet.
Viele Chilenen hofften, dass es nach dem Putsch bald wieder zu freien Wahlen kommen würde. Pinochet blieb jedoch bis 1989 an der Macht und wurde einer der gewalttätigsten Diktatoren in der Geschichte Lateinamerikas. Er machte Allendes Politik rückgängig, etablierte eine freie Marktwirtschaft und führte zu tiefgreifenden Veränderungen.
In den 1980er-Jahren wurden andere Länder aufmerksam auf die Menschenrechtsverletzungen der Pinochet-Diktatur. Viele forderten eine Rückkehr zur Demokratie – darunter die US-Regierung, ein wichtiger Handelspartner zu Zeiten Pinochets. Die Repression politischer Gegner nahm dadurch langsam ab. Oppositionellen gelang es schließlich, politische Parteien zu gründen. 1989 fanden dann die ersten freien Wahlen seit fast 20 Jahren statt.
Allerdings wurden die letzten Überreste der Militärdiktatur in Chile erst mit der Verfassungsreform von 2005 beseitigt.
Seit 2022 bildet das Kabinett Boric die amtierende chilenische Regierung unter Präsident Gabriel Boric. Sie löste das Kabinett Piñera II ab, das zwischen 2018 und 2022 das Land regierte. Jedoch stufte die Economist Intelligence Unit Chile im Jahr 2023 als „mangelhafte Demokratie“ ein. Laut den V-Dem-Demokratieindizes war Chile im Jahr 2023 das drittdemokratischste Land Lateinamerikas.
22. November
Ich habe noch nie in meinem Leben so freudig Auskunft über mein Alter gegeben. Meistens sage ich Silvia's Alter noch zusätzlich, manchmal sogar ungefragt. Ein wahres Triumphgefühl beschleicht mich dann, wenn das Gegenüber nickt, und anerkennend, manchmal auch mitleidig "Senores" antwortet. Meistens sagen wir dann einstimmig "Si klaro" und die reduzierten Eintrittskarten werden gedruckt. Es ist ein Irrtum, dass man von Seniorenrabatten reich wird, aber das Gefühl etwas gespart zu haben, kann durchaus die Laune heben.
Denn der Tag hatte schlecht begonnen. Bereits gestern hatten wir unseren Mietwagen nicht bekommen. Der Flughafenschalter von Sixt war einfach nicht besetzt und wir waren mit einem Taxi zur Unterkunft gefahren. Heute früh war es lange Zeit immer noch nicht möglich jemanden von Sixt zu erreichen, bis wir schließlich Hilfe von einer anderen Touristin bekamen, deren Mutter telefonisch einen Kontakt am Flughafen hat und uns riet mit einem Taxi an den Flughafen zu kommen. Der Sixt-Schalter wäre jetzt besetzt. Bei Ankunft am Schalter sitzen da zwei Herren, die sich eifrig unterhalten. Wir schildern was passiert ist und sie tun erstaunt, lassen aber ihre Taktik schnell fallen, als wir ihnen auf ihrer eigenen Liste den gelb markierten Namen Kuhn sowie das gestrige Datum und die Uhrzeit 20.00 zeigen. Wir bekommen einen angemessenen Preisnachlass und einen Hyundai i20 für die nächsten zweieinhalb Tage, mit dem wir am heutigen Tage etwas verspätet aber dennoch nicht zu spät, eine Rundtour um den Lake Llanquihue beginnen.
21. November
Wieder mal so eine Reisetag. Morgens um 11.30 fährt der Bus zurück nach La Serena, wo wir in den Latam Airlines Flieger einsteigen. Zwischenstopp und umsteigen in Santiago de Chile, dem zentralen Verkehrsknotenpunkt hier in Chile. Das kennt man ja schon. Gegen 19.00 abends erreichen wir Puerto Montt, den Zielflughafen, stellen aber fest, dass der Sixt-Schalter, an dem wir unseren reservierten und bereits bezahlten Mietwagen abholen wollen nicht besetzt ist. Trotz vielerlei Bemühungen ist niemand aufzutreiben, der uns helfen kann. Nach einer Stunde hin und her, fahren wir ohne Erfolg mit einem Uber Taxi zu unserer entlegenen Unterkunft Casa Werner in Llanquihue.
20. November
In Indien und auch auf der Seidenstraße habe ich die Erfahrung gemacht, dass mich die meisten Leute mit "Sir" ansprechen. Manchmal war ich auch der "friend" oder sogar "my friend".
Hier in Südamerika stelle ich fest, dass die Anrede andersartig ist. Während Silvia hauptsächlich mit "Senora" angeredet wird, spricht man mich entweder als "Mister", manchmal auch als "Amigo" oder heute sogar als "Caballero" an. Meine Spanischkenntnisse sind rudimentär, aber ich kann ich mich noch an meinen Volkshochschulkurs A1 erinnern, in dem wir über Pferde redeten. Und da Caballo ziemlich sicher Pferd heißt, müsste Caballero der Reiter sein (Vorsicht! Das "b" in beiden Worten spricht man als "v"') . Mir ist nicht ganz klar, wie man mich für einen Reiter halten kann, aber viel mehr ärgert mich, dass ich nicht standesgemäß als "Senor" gerufen werde, sondern als "Mister". Das hat für mich etwas Abwertendes, da Mister eindeutig einen Nicht-Südamerikaner designiert. Man könnte mich auch gleich "Gringo" rufen oder "Langnase", wie die Chinesen es tun.
Der Humboldtstrom beeinflusst noch immer das Wetter bei La Serena, aber glücklicherweise haben wir einen Abstecher mit Übernachtung in Vicuna geplant. Grund dafür ist eine Besichtigung des Observatoriums Mamalluca, das abends um 21:00 Führungen anbietet. Es ist alles sehr beeindruckend. So viele Sterne auf einem Haufen in der Klarheit hatte ich zuvor noch nie gesehen. Es ist kein Wunder, dass in Chile so viele Observatorien stehen. Leider findet die Führung auf spanisch statt, so dass wir beide den astronomischen Gedankengängen des Mamalluca-Angestellten nicht folgen können
19. November
Wir haben für diesen Tag einen Ausflug zu den Islas Damas geplant, müssen ihn aber aufgrund der rauen See streichen. Die Pinguine und Seehunde dort auf den Islas entgehen uns damit, aber wir planen ja noch die Isla Magdalena mit scheinbar ganzen Pinguinkolonien.
Für eine Fahrradtour reicht es trotzdem. Coquimbo, der Nachbarort von La Serena ist entlang der Strandpromenade schnell erreicht und wir verschlingen hungrig jeweils einen vollen Teller Arroz con Pescado. Das Straßenrestaurant, das den Fisch anbietet scheint äußerst beliebt zu sein, denn es warten eine Menge Chilenen hauptsächlich in Arbeitskleidung vor dem Restaurant. Gegen Nachmittag kommt sogar noch für zwei Stunden die Sonne hinter den Wolken hervor und wir genießen unser Lotterleben im T-Shirt und die wärmenden Sonnenstrahlen im Rücken. Zwei Stunden später ist von Wohlbefinden keine Rede mehr, denn der tägliche Wintereinbruch nach Sonnenuntergang erwischt uns in unserem kleinen Reihenhaus ohne Heizung empfindlich. Ich schaue bereits im warmen Bett liegend auf unseren Reiseplan für morgen und ich komme recht schnell zu der Einsicht, dass ein Badetag so fern jeder Realität liegt, dass dieser Vorschlag fast lächerlich wirkt.
18. November
Es ist richtig ärgerlich. Unser Direktflug, den ich über Booking.com von Calama nach La Serena gebucht hatte, wurde wohl storniert und wir wurden automatisch umgebucht auf zwei Flüge. Ungeschickterweise hatte uns weder die Airline Sky Airway noch Booking.com die Flugänderung mitgeteilt. Am Flughafen registrieren wir dann, dass aus der alten Ankunftszeit 14:15 die neue Ankunftszeit 19:00 wurde. Das hieß, das wir den ganzen Tag in Flugzeugen oder am Flughafen verbringen würden. Aber gab es da nicht eine Entschädigung vom Reisebüro oder der Fluglinie für diesen uns entstandenen Nachteil? Ein Live-Chat mit Booking.com ergibt, dass ich wohl bereits eine Rückerstattung für den Flug beantragt und bekommen habe. Ich suche in meinen Mails und finde heraus, dass bereits am 24. Oktober eine Flugänderung war und ich daraufhin den gesamten Flug mit Latam Airlines storniert hatte und einen neuen Flug bei Booking.com für Sky Airline mit Startzeit 12:38 und Ankunftszeit 14:15 gebucht hatte. Der neue Flug wurde wohl mit der gleichen Buchungsnummer bei Booking.com hinterlegt wie der alte Latam Airlines Flug.
Da ich inzwischen fast jeden zweiten Tag eine EMail mit einer Flugänderung für unsere vielen vorgebuchten Flüge bekomme, hatte ich diesen Vorgang komplett aus meinem Gedächtnis verdrängt und den Überblick verloren. Wir sind froh, dass bei diesem Chaos die Dame von Sky Airline unsere geänderte Buchung überhaupt im System findet. Ich frage nach einer Entschädigung aber sie verweist mich sofort auf das zuständige Reisebüro. Für einen weiteren Live Chat mit Booking.com fehlen mir dann die Nerven und ich bewahre die abgeflogenen Bordkarten zur Beweisführung daheim in Deutschland auf.
Das Wetter in La Serena ist bescheiden und sobald die Sonne untergeht fallen die Temperaturen auf 12 Grad Celcius. Wir haben ein nettes Reihenhaus mit Terrasse für die Zeit hier angemietet, aber das Haus hat keine Heizung. La Serena liegt dreieinhalbtausend Kilometer vom Äquator entfernt. Das ist ungefähr soweit wie Kairo vom Äquator entfernt liegt. Der Humboldtstrom und ich werden keine Freunde mehr.
17. November
San Pedro de Atacama. Ich finde das ist ein Name, der verheißungsvoll klingt. Es riecht nach Abenteuer, nach Wüste, nach Western. Aus den Lautsprechern des Restaurants schallt laute Musik. Kashmir von Led Zeppelin. Es würde auch eine Filmmusik von Ennio Morricone hierher passen. Spiel mir das Lied vom Tod.
Die Frau des Hauses serviert uns kühle Getränke aber sie spielt keine Rolle in diesem Schauspiel.
Und da steht er auf. Ein Hombre, ein ganz in schwarz gekleideter Chilene. Rabenschwarzes, langes, glattes Haar, breitkrempiger Hut. Fieser Schnurrbart aber muskulöser Körper. Und ich nehme mir eines vor. Sollte ich nochmal wiedergeboren werden (und es gibt ja Religionen, die sowas behaupten), so will ich eine solcher Chilene sein. Aber nicht in Chile leben. Zuviel Humboldtstrom, zu wenig Temperatur.
Der Chilene steht auf und geht seinen Weg. Niemand kann ihn aufhalten ...
16. November
Peru und Chile sind Teil des "Pacific Ring of Fires", einem seismisch und vulkanisch hochaktiven Gebiet, das in Hufeisenform den Pazifik umgibt. Der Ring hat mehr als 150 aktive Vulkane und damit 10 Prozent weltweit. Die tektonische Aktivität in beiden Ländern generiert die Kollision zweier Erdplatten, nämlich der Nazca und der Südamerika Erdplatte. Die Kollisionen wiederum erzeugen so viel Hitze, dass Magma entsteht und nach oben durchdringt, so dass Berge und Vulkane entstehen. Dieses Phänomen ist auch verantwortlich für die Entstehung der Anden vor 35 Millionen Jahren.
Wir fahren gerade mit unserem Mietwagen, einem Hyundai Tucson SUV durch die Atacama Wüste inmitten des "Pacific Ring of Fires" und blicken auf den vor uns liegenden und 5592 Metern hohen Vulkan Lascar. Der Vulkan hatte in den letzten 150 Jahren über 30 hochexplosive Ausbrüche, wobei der letzte davon im Jahr 1993 stattfand. Unser Ziel sind die beiden Bergseen Laguna Miscani und Laguna Miniques beide über viertausend Meter hoch. Sie erinnern mich ein wenig an den Laguna Paron, den ich ziemlich am Anfang meiner Reise im Norden Perus besucht habe. Obwohl wir beide inzwischen die Höhe gewöhnt sein müssten, geht der leichte Spaziergang am Seeufer entlang wieder an unsere körperliche Substanz. Völlig erschöpft fühle ich mich an diesem Tag nach all den Strapazen, die wir in den letzten Tagen hatten. Auf der Fahrt zurück nach San Pedro de Atacama machen wir noch einen letzten Besichtigungshalt an der Laguna Chaxa, wo hunderte von Flamingos ihre Heimat haben.
Ich
15. November
Noch einmal ausschlafen. So beginnt unser letzter Tag in Santiago de Chile. Wir sind schon recht flink im Herausfinden der geschicktesten öffentlichen Nahverkehrsverbindungen in dieser südamerikanischen Hauptstadt und so fahren wir erneut ins Barrio Bellavista zu einer Seilbahn, die uns den Cerro San Cristebal zur Statue Virgen de la Inmaculada Concepion hinauf fährt.
Von dort hat man einen schönen Blick über die ganze Stadt und das bei warmen 23 Grad Celcius mit steigender Tendenz zum Nachmittag.
Den Abend beschließen wir in unserem Lieblingslokal Mr. Fish in direkter Nachbarschaft zum Casa del Todos.
14. November
Ich schaue mir noch einmal die Zeilen an, die ich vor einigen Monaten mit Antonio, dem Kontakt eines Fahrradverleih in Santiagos Stadtteil Barrio Bellavista ausgetauscht hatte. Die Adresse, wo wir uns gerade befanden, stimmte mit der aus Antonios Email überein aber nirgendwo war auch nur ein Fahrrad zu sehen. Der Betreiber des gegenüberliegenden Lokals gibt uns schließlich den entscheidenden Hinweis. Er klingelt drei- oder viermal an einem großen Hoftor ohne Beschriftung oder Firmenschild. Es dauert einige Zeit bis man hinter dem Tor Schritte hört und sich das Tor krächzend öffnet. Der Mann stellt sich als Antonio vor und bittet uns einzutreten. Vor unseren Augen tut sich ein blitzsauberer Hof mit einigen abgestellten Fahrrädern auf. Er führt uns in sein Büro und sagt so etwas wie "Mister Jürgen, die Fahrräder die Sie bestellt haben sind mitnahmebereit". Ich bin erstmal etwas erstaunt, erkundige mich dann aber bei Antonio warum er denn kein Firmenschild außen sichtbar angebracht hätte, und er begründet es damit, dass seine Firma gerade erst die Lizenz beantragt hat und daher nicht berechtigt sei ein solches aufzuhängen. Ich erinnere mich daran, dass wir unseren Schriftverkehr bereits vor einigen Monaten hatten und er damals bereits die Adresse verschickt hatte. Ich nicke mit dem Kopf wie wenn ich alles glauben würde.
Die Fahrräder sind grüne City Bikes, zwar etwas klein, aber sie funktionieren und haben ein Siebenganggetriebe. Wir radeln den durch Santiago fließenden Rio Mapacho entlang bis zu einem nett gemachten Skulpturenpark, essen dort in der Gegend etwas zu Mittag und kehren über den sehenswerten Cerro Santa Lucia und den Plaza del Armas einige Stunden später ins Barrio Bellavista zurück, um dem freundlichen Antonio seine Fahrräder zurück zu bringen.
13. November
Valparaiso ist eine sonderbare Stadt.
Auf den ersten Blick erscheint sie wenig sehenswert, da viele Häuser zwar bunt sind aber auch schmutzige Fassaden haben oder nicht fertig gebaut wurden. Man fragt sich unweigerlich, ob die UNESCO sich einen Spaß erlaubt hat die Stadt 2003 zum Weltkulturerbe zu erklären.
Schlendert man jedoch ein wenig durch die Straßen oder erklimmt einen der vielen Cerros (Hügel), entweder zu Fuß oder mit einem Ascensor (Aufzug), so erkennt man nach kurzer Zeit Bilder und Graffitis, die einem einen anderen Eindruck von der Stadt vermitteln. Wohin man schaut, möchte man am liebsten die gerade verstaute Kamera erneut ausrichten, um die großen, überdimensionalen Graffitis in Form eines Bildes festzuhalten.
Einen tollen Abschluss unseres Valparaiso-Stadtausfluges bildet der Besuch von Pablo Nerudas Wohnhaus. Er war ein chilenischer Dichter und Schriftsteller sowie Diplomat, der sich vor allem gegen den Faschismus in seinem Heimatland und in Spanien einsetzte und 1971 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Wie privilegiert der Dichter gewesen sein musste, kann man bei der Hausbegehung erahnen. Sollte es so etwas wie ein Traumhaus geben, wäre es mit Sicherheit ein heißer Kandidat dafür.
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12. November
Einen Flug ohne Besonderheiten wünscht man sich ja immer. Glücklicherweise traf dies auch für unseren Flug LA2366 von Cusco nach Santiago de Chile zu und wir landen in Chiles Hauptstadt nach dreieinhalb Stunden Flug am Nachmittag bei Sonnenschein und sehr sehr angenehmen Temperaturen von 25 Grad Celcius. Man sieht auf den ersten Blick dass Chile in einer anderen Liga spielt als Peru. Das merkt man auch am Preisniveau, das zwar noch einiges unter dem deutschen zu liegen scheint, aber Preise von drei Euro für ein ganzes Mittagsmenu mit Vor- und Nachspeise sind nun erst einmal vorbei.
Nach der nach einem Landeswechsel üblichen Grundhygiene, die aus der Beschaffung von Bargeld in Landeswährung und einer SIM Karte für Silvias Smartphone besteht, quartieren wir uns für vier Nächte im B&B Casa de Todos ein. Die Unterkunft liegt inmitten von Restaurants und Läden, so dass wir nach einem kurzen Abstecher ins Centro Gabriela Mistral den Abend im Freien bei Hühnchen, Chips und Bier verbringen.
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11. November
Ausgeschlafen und doch erledigt sind wir glaube ich beide, aber unsere Laune hat sich deutlich verbessert seit wir in einer kleineren Gruppe unterwegs sind. Die Kicherer wurden ja bereits am zweiten Tag aus der großen Gruppe heraus separiert. Seit gestern früh sind außer uns beiden und unserem Tourguide Siro nur noch die beiden "Iron Men" Jack und Deron an Bord und trotz des unterschiedlichen Fitnesszustands verstehen wir uns sehr gut. Die restlichen Mitglieder hatten wohl nur eine Dreitagesexpedition gebucht und hatten bereits gestern früh die Amazon Manu Lodge verlassen. Am heutigen vierten und letzten Tag der Expedition steht nur noch der Rücktransport der Teilnehmer nach Cusco auf dem Programm. Da Siro zu seiner Familie in Cusco fährt, findet die Verabschiedung voneinander dort am Plaza del Armas statt und Silvia und ich feiern bei Rindersteak und Pisco Sour die Rückkehr in die Zivilisation.
10. November
Der dritte Tag der Expedition beginnt mit einem Highlight, dem Besuch der Papageienfelsen. Es handelt sich um einen Sammelplatz für Papageien, Macaos, Wellensittiche und andere verwandte Vögel. Wer das alles live erleben möchte, muss frühmorgens bereits um 4:30 mit Gummistiefel und Taschenlampe bewaffnet am Restaurant der Amazon Manu Lodge zur Abholung bereit stehen. Mit dem Langboot fährt uns Siro in die Nähe des Felsens. Den restlichen Weg gehen wir am Flussufer entlang oder waten durch stehendes Wasser. Am Papageienfelsen dauert es nochmals einige Zeit bis die ersten Vögel dort landen und dann geht alles ganz schnell. Innerhalb von fünf Minuten haben sich die Tiere an den Pflanzen, die im Felsen wachsen satt gefressen und wechseln danach ihren Standort. Siro besticht bei diesem Ausflug durch sein exzellentes ornithologisches Wissen und verliert etwas seine Zurückhaltung in der Gruppe.
Der restliche Tag ist geprägt von weiteren Wanderungen in der Nähe der Lodge. Um uns von den Strapazen zu erholen, lassen Silvia die Nachmittagswanderung und ich die Nachtwanderung aus.
Ein weiteres besonderes Highlight ist für den Nachmittag vorgesehen: ein Zip-Line Durchgang durch den Nebelwald an drei Drahtseilen. Zwei davon sind jeweils achtzig Meter lang und das dritte misst 200 Meter Länge. Zusammen mit den beiden "Iron Men" Jack aus Norfolk und Deron aus Mexico City rasen wir entlang den Drahtseilen in zwanzig bis dreißig Metern Höhe durch den Urwald und seilen uns am Ende aus dieser Höhe auf den Boden ab. Sowohl für Silvia als auch für mich ein spezielles und nicht alltägliches Erlebnis, das wir in dieser Form noch nie hatten.
Beim Abendessen erhalten wir die gute Nachricht, dass unser letzter Tag morgen "erst" um 7 Uhr mit dem Frühstück beginnt. Yeaah.. endlich mal wieder ausschlafen :-)
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9. November
Die Expedition durch das peruanische Amazonasgebiet wird heute wie schon gestern mit aller Gründlichkeit durchgeführt. Von unserer Lodge aus, starten wir morgens um sechs Uhr mit einem Waldspaziergang und steigen dann in einen Kleinbus, der uns innerhalb kurzer Zeit nach Port Atalaya bringt. Auf dem Weg liegt eine Coca Plantage und ein Wildlife Rescue Center, das man wenn man möchte besichtigen kann. Die vermutlich zooähnlichen Bedingungen - oder ist es doch der erhoffte Abstand vom Gekichere der Volunteers - lässt uns dankend auf den Besuch des Rescue Centers verzichten.





8. November
"Na klasse" denke ich mir, als der Mann unsere Namen nicht auf seiner Abholliste findet.

7. November
Die Rainbow Mountains waren bis vor 20 Jahren von einer durchgehenden Schneeschicht bedeckt. Da diese Schicht im Zuge der Klimaerwärmung langsam aber sicher verschwand, sind die Berge erst seit 2015 für Besucher zugänglich.
6. November
Eine halbe Stunde später, schiebe ich mir den letzten Bissen von dem fest gebratenen Fleisch auf meinem Teller in den Mund und beginne ihn zu kauen, als mir der Gedanke in den Kopf schießt, wie wohl mein Alpaka-Tierchen, das an meinem Rucksack hängt damit zurecht kommt, dass ich einen Artgenossen so einfach verspeise.
Ich hatte eigentlich vor in diesem Restaurant Meerschweinchen zu versuchen, doch kamen mir schon beim studieren der Speisekarte ziemliche Zweifel, ob ich denn das überhaupt tun sollte. Schmeckt wie Ratte ohne Schwanz hatte ich jemanden sagen hören oder vielleicht hatte ich es auch im Internet gelesen. Wobei ich mich schon fragte, ob das überhaupt der Wahrheit entsprach, denn mir war nicht bekannt, dass man Ratten außerhalb von Asien zum Essen serviert bekam. Es müsste also ein Asiate gewesen sein, der dies behauptete, denn ansonsten könnte er den Vergleich gar nicht so anstellen. Dennoch ließ ich mich von dieser Behauptung soweit einschüchtern, dass ich das auf der
Speisekarte danebenstehende Alpakagericht bestellte. Alpakafleisch ist von Geschmack und Farbe vergleichbar mit Kalbfleisch, ist jedoch von der Konsistenz her wesentlich härter.
Aber wie sollte ich das meinem Alpaka - Reisebegleiter erklären? "Es wird nicht wieder vorkommen" sagte ich kleinlaut und schaute dem Alpaka - Tierchen in die Augen. Es richtete dem Blick auf mich und sagte "Nein, es darf nie wieder vorkommen".


5. November
In der Hotellobby stand sie ganz unauffällig, metallig glänzend, aber trotzdem bereits sichtbar häufig benutzt. Eigentlich eine Kofferwaage mit großer Metallplatte, die ich kurzerhand zur Personenwaage umfunktioniere. Das Ergebnis ist überraschend. 4 Kilogramm weniger als zu Beginn der Reise nach ungefähr der Hälfte der Zeit.
4. November
Wir hatten es uns fast schon gedacht, dass wir den Altersschnitt anheben, aber dass alle in der 10er-Reisegruppe geschätzt nicht älter als 35 sind, hatten wir nicht erwartet. Nicht dass wir Berührungsängste mit der Generation unserer Söhne hätten, aber bei einer Wandertour auf dem Inka Trail, der sicher der anstrengendste Weg zum weltberühmten Macchu Picchu ist, wollten wir auch nicht die sein, die die Gruppe in ihrem Wandertempo aufhält.
Die Tour hatte morgens um 03:45 Uhr damit begonnen, dass uns Santiago,der zuständige Guide gutgelaunt im Hotel abholte. Mit dem Bus ging es danach zum Bahnhof Ollantaytambo, wo wir dann erstmal auf die anderen acht Gruppenmitglieder trafen. Ab Ollantaytambo fährt dann ein Zug ca. zwei Stunden bis an den KM104 der Bahnstrecke, an dem die Hiking Route 5 des Inka Trails offiziell beginnt. Dort stellen sich unser zweiter Guide Alex und zwei Köche vor. Der Einstieg war zuerst flach mit leichten Steigungen, aber schon bald kommen die ersten Treppen. Santiago, der am Kopf der Gruppe läuft, verordnet immer wieder Wanderpausen, in denen er Hintergrundinformationen zum Macchu Picchu und dem Inka Trail gibt. Der zwölf Kilometer lange Weg führt durch dichten Regenwald und unterwegs bieten sich immer wieder schöne Aussichten auf die umliegenden Wälder aber der Weg wird immer anstrengender und die Treppenstufen werden höher und steiler. Santiago nennt sie 'monkey steps', da man Hände und Füße benötigt, um sie zu erklimmen. Wir kommen trotzdem gut voran und passieren die Inkastätten Chachabamba und Winay Wayna, was auf Quechua, der tausendjährigen Sprache der Inka "Für immer jung" heißt. Den Zugang zum Macchu Picchu bildet Inti Punku, das Sonnentor, von wo man einen überragenden Blick auf diese Stätte hat. Leider oder vielleicht auch glücklicherweise ist das Wetter am Sonnentor etwas regnerisch, so dass die ganze Atmosphäre etwas mystisches mitbringt.
Der restliche Weg vom Sonnentor zum Macchu Picchu ist schnell gemacht. Kaum dort angekommen, fahren wir mit dem Bus in unseren Übernachtungsort Aguas Calientes, ein nettes Städtchen, das im wesentlichen als Ausgangs- und Übernachtungsort für Macchu Picchu-Touren genutzt wird. Nach einem gemeinsamen Abendessen mit unserer Reisegruppe fallen wir wie tot in unsere Betten und freuen uns auf den nächsten Besichtigungstag des Macchu Picchu
3. November
Heute findet erneut eine lange Busfahrt statt. Wir werden zusammen mit unserem Gepäck von Puno nach Cusco transportiert. Auf der neunstündigen Fahrt passiert rein gar nichts. Morgen werden wir den Inka Trail begehen, um am Dienstag den Macchu Picchu zu besuchen. Wir lesen uns nochmal die zugehörigen Unterlagen durch und reden über dies und das, als Silvia plötzlich behauptet, Efraim Langstrumpf sei nicht am Titikakasee geboren, sondern im Taka-Tuka-Land. Ich halte das für schlichtweg falsch, doch ist mir klar, dass mein Wissen über die Familie Langstrumpf nicht unbedingt dem Wissen entspricht, das ich über Kara Ben Nemsi habe. Und so gebe ich mich, natürlich nicht ohne meine Niederlage vorher im Internet zu verifizieren, der Sache halber geschlagen und korrigiere hiermit mein verklärtes Kindheitsbild. Natürlich gehört diese Richtigstellung belohnt und ich bestelle mir nach Ankunft in einem Restaurant in Cusco Fettucine Primavera sowie einen Pisco Sour.
2. November
Manchmal und gerade jetzt wieder war so ein Moment, in dem ich dachte, warst du eigentlich wahnsinnig, als du dir diese Abfolge von Tagestouren ausgedacht hast? Ich habe den Reiseplan vor mir und blicke auf die anstehenden Highlights. Von den nächsten zehn Tagen beginnen sieben bereits vor oder um sechs Uhr morgens. Silvia setzt sogar noch einen drauf und besichtigt morgen im Alleingang die Uros-Inseln im Titikakasee. Ich bin gespannt ob ihr der Ausflug genauso gefällt wie mir damals vor einer Woche.
Auch heute früh wurden wir gegen halb sechs von Bolivia Hop im Hotel abgeholt, um über das sehr touristische Cocacabana zurück nach Puno gebracht zu werden. Bolivia Hop ist eine Reiseagentur, die sich die aus Großstädten bekannte Geschäftsidee der HopOn-HopOff-Busse zu eigen gemacht hat. Wir machen also HopOn in La Paz, HopOff in Copacabana, dann einen netten Bootsausflug auf die Isla del Sol im Titikakasee, dann wiederum HopOn in Copacabana und fahren über die Grenze nach Puno in das mir bekannte Land Peru.
Das ganze klappt wie am Schnürchen und wieder frage ich mich, ob wir in Deutschland tatsächlich solche Helden sind, wie wir manchmal denken.
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1. November
Das Taxi fährt in Richtung El Alto, einer erst 39 Jahren alten, eigenständigen Stadt, die aber an La Paz angebaut ist. Besser gesagt überblickt man von dort aus La Paz, denn El Alto befindet sich auf einer Höhe von 4096 Metern während La Paz sich auf 3689 Metern befindet. Unser Ziel ist der gemeinsame Friedhof, der genauso wie der gemeinsame internationale Flughafen in El Alto liegt.
Das Glück meint es gut mit uns, denn heute laufen die Vorbereitungen für den morgigen Feiertag Allerseelen, der in Bolivien wohl höher gewertet wird als Allerheiligen am 1. November. Auffällig ist, dass auf jedem Grab nur das Sterbedatum steht. Es soll wohl gleichzeitig das Geburtsdatum in ein neues Leben sein. Jedes Grab ist individuell gestaltet und darin befinden sich auch die Lieblingssachen der Verstorbenen, die im nächsten Leben gebraucht werden könnten. Man merkt auch, dass die Einheimischen dort den Kontakt mit anderen suchen und sich mitteilen wollen. Leider reichen unsere spanischen Sprachkenntnisse nicht aus, um die Menschen dort besser zu verstehen.
Für nachmittags habe ich eine Tour bei Viator gebucĥt, die durch El Alto führt und einige gute Fotomotive zu liefern verspricht. Überraschenderweise sind Silvia und ich die einzigen Tourteilnehmer und so haben wir jede Menge Gelegenheit unseren sehr netten und auskunftsfeudigen Guide Louis alles zu fragen was uns interessiert. Da wird die Tour fast zur Nebensache, denn Louis kann auf den Punkt antworten und seine Gedanken auch sehr gut in englisch formulieren. Von ihm lernen wir an diesem Nachmittag viel über die wichtige Rolle der Gewerkschaften in Bolivien und ihre Vernetzung in die Politik, über den Ex-Präsidenten Evo Morales und seine verfassungswidrigen Ambitionen eine Wiederwahl anzustreben und vieles mehr. Nebenbei fahren wir mit einer Seilbahn, der Teleferico, vom Zentrum La Paz über die halbe Stadt hinweg bis hinauf nach El Alto, von der sich fotogene Aussichten auf das Häusermeer der beiden Städte und die umliegenden schneebedeckten Berge Illimani (6439 HM) und Huyana Potosi (6088 HM) bieten. Oben angekommen besichtigen wir dort drei aussergewöhnliche Villen von indogenen Neureichen, deren Hauswände teilweise mit Bildern vom bolivianischen Künstler Mamani Mamani besprüht sind. Mit einer anderen Teleferico fahren wir wieder zurück nach La Paz und laden Louis zum Abschluss der Tour noch zum Empanadas Essen ein.
31. Oktober
Ich bin mir nicht sicher, ob es Übermüdung, die fortschreitende Akklimatisierung, oder der Tee mit Cocablättern war, aber die Nacht war wesentlich besser als die letzten zwei.
Dennoch tue ich mir schwer mit der Höhe. Auf annähernd 4000 Höhenmetern fühle ich mich nach hundert Metern Gehstrecke unglaublich schlapp und das, obwohl ich schon vor einigen Tage auf über dreitausend Höhenmetern angereist bin.
Ich bin auch etwas besorgt, wie Silvia hier mit der Höhe zurecht kommt. Der Flughafen von La Paz liegt über viertausend Meter hoch und sie startet sozusagen von 0 auf 100. Ich freue mich sehr auf sie und hoffe, dass sie die dreizehnstündige Verspätung gut wegsteckt.
Meine Sorgen sind jedoch wie weggeblasen, als sie mir um kurz nach 14 Uhr lächelnd im Flughafen entgegen kommt und mir mitteilt, dass sie nach einem kurzen Hotelbesuch am liebsten etwas von La Paz sehen möchte.
30. Oktober
Ich hatte zwei schlechte Nächte im Hotel Qelqatani in Puno verursacht durch immer wiederkehrende Atemschwierigkeiten aufgrund der Höhenlage des Titikakasees ( 3812 HM). Kaum waren mir die Augen zugefallen, kam wieder eine Welle mit knappem Sauerstoff, die mich dazu zwang aktiv Luft zu holen. Damit war ich wieder hellwach und das Spiel begann von neuem. So war es kein Wunder, dass ich Silvias Sprachnachricht mit bekam, die mir vom Stuttgarter Flughafen aus mitteilte, dass ihre gebuchten Flüge gestrichen wurden und sie auf Ersatzflüge umgebucht wurde. Anstatt morgen Nacht um drei Uhr, würde sie erst um die Nachmittagszeit in La Paz landen. Wenig später nach Erhalt ihrer Nachricht, muss ich auch schon wieder aufstehen , um den Fernbus über die bolivianische Grenze nach Las Paz zu bekommen. Dort lese ich eine Nachricht von einer fleißigen Blogleserin. Sie meint, dass Kondore nicht nur schwarz wären, sondern auch weiss gelb. Erst neulich habe sie auf dem Stuttgarter Flughafen einige wenige gesehen.
Das Alpaka an meinem Tagesrucksack meint ob wir da in unserem Bericht etwas übersehen hätten, aber bevor ich dazukomme die Dinge etwas gerade zu rücken, bemerke ich, dass unser Bus langsamer wird und dann auf einem Standstreifen rechts anhält.
Es dauert zwei Stunden bis der überhitzte Motor nicht mehr überhitzt und eine Stunde später erreiche ich völlig gerädert La Paz, die Hauptstadt Boliviens. Der fleißigen Blogleserin und dem Alpaka sei abschließend noch gesagt, dass auf einem Ding nicht immer genau das draufsteht was drin ist.
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29. Oktober
Ich bin in Puno am Titikakasee. Da war doch was. Hatte nicht Pippi Langstrumpfs Vater Efraim Langstrumpf als Seemann am Titikakasee gelebt oder wurde dort geboren?
Seit ich als Kind Pippi Langstrumpf gesehen habe, fasziniert mich der Name des Sees. Ich dachte dabei allerdings an einen warmen Ort mit vielen Seeleuten und Rum zum hineinliegen. Der Besuch heute verdeutlicht mir dass eine Tagestemperatur von 15 Grad Celcius und der hier übliche Schuss Pisco nicht so richtig zu meinem Kopfkino passen.
Viel eher dazu passt der heutige, morgendliche Besuch bei den Urus, einem Indiovolk, das auf schwimmenden Inseln auf Südamerikas größtem See, dem Titikakasee, leben. Ihre Inseln bauen die Urus aus Blöcken von großen Pflanzenwurzeln, die zusammen gebunden im Wasser verwachsen und nach einem halben Jahr als Inselbasis dienen. Danach werden mehrere Lagen frisches Schilf ausgelegt, so dass jeder Schritt geräuschvoll knistert. Aber viel mehr faszinieren mich die gelben Schilfboote, die genauso ausschauen, wie Boote auf dem Titikakasee aussehen müssen. Sogar Pippi und ihren Vater Efraim könnte ich mir mit Herrn Nilson und Kleiner Onkel zusammen auf einem solchen Boot vorstellen.
28. Oktober
Die schwarzen Schwingen der Vögel müssen riesig sein, so groß wie sie hier am Himmel erscheinen. Im Gleitflug kreisen mindestens ein Dutzend davon über unseren Köpfen und demonstrieren ihr Können. Kondore sind die größten Vögel der Welt und sind hier im Colca Canyon, genauer gesagt am Cruz del Condor ansässig. Allerdings nur morgens sagen die Einheimischen und ich frage mich was diese Vögel dazu bringt nur morgens zu fliegen. Ein flämischer Mitreisender, den ich der Einfachheit halber als Belgier bezeichnet hatte, erklärte mir dann erst, dass es auch niederländische Flamen gibt und danach, dass man an einem Tag in Peru alle vier Jahreszeiten erleben kann. Morgens den Frühling, nachmittags den Sommer, abends den Herbst und nachts den Winter. Das hörte sich plausibel und durchaus passend an, aber warum die bis zu achtzehn Kilogramm schweren Aasfresser nur morgens fliegen erklärt es nicht. Wenn ich ein Kondor wäre würde ich abwechselnd so wie ich mein Motorrad fahre zu jeder Jahreszeit außer im Winter fliegen.
Für nachmittags habe ich eine neue Fernbusfahrt gebucht. Mit einem Luxusbus soll es in sechs Stunden nach Puno am Titikakasee gehen. Auf dem Weg zur Bushaltestelle bemerke ich, dass ich meine Wanderstöcke nicht eingepackt habe. Genaugenommen fehlen sie schon seit gestern und ich weiß plötzlich genau, wo sie stehen. Ich schreibe Jesus über WhatsApp an aber er antwortet nicht. Dann fällt mir ein, dass ich von dem Restaurant eine Visitenkarte mitgenommen habe, für den Fall, dass sich ein männlicher Blogleser meldet und dort als Patron einsteigen möchte. Ich schildere einer Angestellten des Luxusbusunternehmens meinen Fall und sie führt zwei oder drei Telefonate. Es ist kaum zu glauben, aber zwanzig Minuten später, gerade noch rechtzeitig vor Abfahrt des Luxusbus, steigt ein Mann mit zwei Wanderstöcken aus seinem Fahrzeug und überreicht sie dem Luxusbusfahrer.
27. Oktober
Um 2 Uhr 30 klingelt der Wecker und wie wenn das nicht schon unmenschlich genug wäre, klopft dann auch noch der Mann von der Hotelrezeption etwas lieblos an meine Zimmertür. Ich überwinde mich, quäle mich aus dem schönen großen Bett und schaue weg, als ich in den Spiegel schaue. Unten an der Straße wartet schon das Taxi, das mich zum Busbahnhof von Arequipa bringen soll. Mein Alpaka ruft aus der Ecke wo mein Rucksack liegt "Das wird schon" und ich verabschiede mich von dem schlecht gelaunten Rezeptionisten.
Der Bus fährt pünktlich um 3 Uhr 30 los und ich wundere mich schon seit Tagen über die scheinbar unzuverlässigen Ankunftszeiten der peruanischen Verkehrsmittel. Ich kann beim besten Willen keinen Unterschied zu deutschen Verhältnissen erkennen, aber vielleicht ist das ja genau der springende Punkt.
Um 5 Uhr 15 geht die Sonne auf und wir sind bereits auf über 3000 Höhenmeter. Ich spüre, wie sich manchmal aufgrund des knapperen Sauerstoffs mein Atemrhythmus verändert. Sonst habe ich keine Beschwerden, obwohl ich eigentlich auf dieser Höhe immer leichte Kopfschmerzen bekomme. Ich bin gespannt wie es Silvia am Donnerstag früh ergeht, wenn sie auf über 4000 Höhenmetern aus dem Flugzeug in La Paz steigt. Eine Backpackerin aus Singapur hatte mir vor einigen Tagen Kokablätter zur Bekämpfung von Höhenanpassungsbeschwerden empfohlen. Ich denke ich werde zur Vorsicht ein paar Blätter für uns einkaufen.
Der Tag verläuft abwechslungsreich. Ich frühstücke reichlich in meinem Hotel in Chivay. Und kaum zu glauben was auf dem Frühstückstisch liegt. Das Alpaka grinst sich einen aber wir beide schweigen zumindest für die nächsten Tage wie ein Grab. Die beiden peruanischen Besitzer beraten mich bzgl. meiner heutigen Wanderung von Chivay nach Yanque. Ich starte ganz vergnügt, aber nach ca. fünf Kilometern machen sich die 3690 Höhenmetern bemerkbar und ich stoppe eine vorbeifahrende Rikscha, in der neben einer Frau noch ein Platz frei ist. Wenig später bin ich in Corporaque und beschließe hier etwas zu Mittag zu essen. Die Auswahl des Restaurants ist kinderleicht, denn das Lokal an der Plaza del Armas hat geschlossen und es gibt insgesamt nur zwei. Das andere hat nur Sonnenplätze und ich frage nach einem Schattenplatz. Die Betreiberin und ein Jugendlicher, vermutlich ihr Sohn, beraten sich kurz und platzieren mich dann ins Hausinnere direkt an den Familientisch, an dem noch ein älterer Mann sitzt, der aber vor sich hinschweigt. Der Junge heißt Jesus, ist 16 Jahre alt und erzählt mir allen Ernstes, dass seine Mutter einen Hausherrn sucht. Ich nehme das etwas überrascht zur Kenntnis und sage, dass ich verheiratet bin. Der Junge fragt, ob ich Söhne hätte und ob ich Fotos von ihnen dabei habe. Als ich diese vorzeige, ruft die Mama verzückt mindestens zehnmal das Wort "Churro" und sagt irgendwas auf spanisch, das ich nicht verstehe. Der Junge teilt mir mit, dass sie auch einen der Söhne nehmen würde. Ich sage, dass ich das nicht versprechen könnte aber es auf jeden Fall ausrichten werde. Jesus und ich tauschen noch unsere Telefonnummern aus und er fragt mich ob ich mit ihm kurz seine Patentante besuchen käme. Auch sie scheint alleinstehend zu sein, denn sie fragt mich sofort nach meinem Familienstand und möchte Beweisfotos sehen. Ich mache mir einen Spaß und erzähle, dass ich hier im Ort schon eine Frau gefunden hätte. Sie schaut mich erstaunt an und erst als ich ihr ein Foto zeige, auf dem ich neben der anderen Passagierin in der Rikscha sitze, versteht sie den Spaß. Es ist nun schon etwas spät geworden und ich verabschiede mich von der Familie, um mit einem Taxi nach Chivay zurückzufahren.
Zurück im Hotel packe ich meine Badesachen und lasse mich zu den in der Nähe von Chivay gelegenen heißen Quellen von La Calera fahren. Das heisse Wasser und der Albarrobina Cocktail mit einem Schuss Pisco sorgen für einen entspannten Abschluss dieses abwechslungsreichen Tages.
26. Oktober
Es gibt in jeder peruanischen Stadt, wahrscheinlich sogar in jedem Ort, der etwas auf sich hält einen Plaza del Armas. Das heißt so etwas wie Sammelplatz oder Appellplatz und liegt im jeweiligen Zentrum. Man findet dort auch die wichtigsten Gebäude wie eine Kirche, ein Rathaus, eine Bank, die Post, aber auch viele Cafés und Restaurants lassen sich dort nieder.
Hier in Arequiba, einer Andenstadt auf 2335 Höhenmetern mit einer Million Einwohnern gibt es eine besonders schöne und lebhafte Plaza del Armas. Irgendwie habe ich es schon vor vielen Wochen geschafft, durch Zufall und über ein verbilligtes Angebot, ein Zimmer mit Aussicht auf den Platz im Hotel de la Plaza zu buchen. Ich habe sogar einen kleinen Stehbalkon, auf dem ich stundenlang stehen könnte, um das Stadtleben zu beobachten.
Traditionell werden hier auch politische Diskussionen geführt und Kundgebungen jeglicher Art veranstaltet. Es ziehen Gruppen an Demonstranten vorbei aber auch Hochzeitsprozessionen mit Musikkapelle. Nach dem Frühstück setze ich mich auf eine Bank direkt in der Mitte des Platzes und prompt setzt sich ein etwa achtzigjähriger Herr zu mir und beginnt eine Unterhaltung. Er erzählt in gebrochenem deutsch, dass sein Großvater aus Deutschland stammt und zur Goldsuche nach Peru gekommen ist. Ich rechne nach, ob der Großvater vielleicht zum Ende des zweiten Weltkriegs aus Deutschland geflohen sein könnte, komme aber zu dem Ergebnis, dass das zeitlich sehr wahrscheinlich nicht passt. Wir reden ungefähr eine halbe Stunde über dies und jenes, er steht dann aber wieder auf und dreht weiter seine Runde. Ich nehme mir vor mich irgendwann in den nächsten Tagen etwas mehr mit der Geschichte Perus zu beschäftigen. Ich habe mich im Vorfeld der Reise nur mit dem Reiseplan beschäftigt und um ehrlich zu sein, weiss ich nicht sehr viel von dem Land.
Nach einem Besuch in der in den Medien hochgelobten Hauptattraktion der sogenannten "weißen" Stadt, dem Kloster Santa Catalina, lasse ich mich nachmittags von einem Taxi an einen Aussichtspunkt namens Carmen Alto nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt bringen. Von dort hat man einen guten Blick auf drei umliegende Vulkane.
Man sieht dort den Misti (5822 HM), das Wahrzeichen von Arequipa, einen der formschönsten Vulkankegel der Anden. Nur selten ist der Berg schneebedeckt und normalerweise vollkommen eisfrei. Wenn man die Faustregel anwendet, dass 300 Höhenmetern zwei Grad Celsius Temperaturunterschied bedeuten, kommt man unweigerlich - auch wenn man nicht gut rechnen kann - zum Schluss, dass die überwiegende Schnee- und Eisfreiheit eine Folge der Trockenheit und nicht der Wärme sein muss, denn bereits in Arequiba fallen nachts die Temperaturen auf unter zehn Grad Celcius.
Dann sieht man von diesem Mirador aus den mächtigen Chachani (6057 HM) und den etwas weiter entfernten Picchu Picchu (5655 HM). Es soll sehr sportliche Menschen geben, die diese Vulkane auch besteigen aber für mich zählt hier eher das außergewöhnliche Panorama und das Fotomotiv.
25. Oktober
Ich habe super gut geschlafen heute Nacht, aber der Vorfall gestern mit dem Taxifahrer hat mir in Erinnerung gerufen, was ich im Vorfeld über die Gefahren in Südamerika gelesen habe. Gut, es war nur eine Abzocke, aber es hätte auch ganz anders laufen können, hätte ich etwas mehr Pech gehabt. Ich war durch den guten und sicheren Reiseverlauf bisher einfach leichtsinnig geworden. Wer weiß wozu das Erlebnis gut gewesen ist, sage ich mir und nehme mir vor Taxis nur noch über das Hotel bzw. ein Restaurant zu bestellen.
Mein heutiges Besichtigungsprogramm ist überschaubar. Ich möchte mir Limas Stadtviertel Barranco anschauen bevor es dann um kurz nach 19 Uhr mit dem Flieger nach Arequiba, einer Stadt im Süden Perus geht.
Mit der Metro fahre ich von Miraflores aus ca. zehn Minuten nach Süden, um dort eine Mischung aus modernen Häusern und alten Kolonialbauten vorzufinden. Barranco bedeutet so viel wie „Schlucht“ und genau an einer solchen befindet sich dieses Viertel auch. Die Häuser stehen auf einer Steilklippe und blicken auf einen Sandstreifen, der sich kilometerlang von Miraflores bis nach Chorillas zieht. Die Atmosphäre hier ist angenehm und ich spaziere entlang der Klippen und besuche ein Lokal, in dem ich Nudeln mit Pesto und Hühnchen bestelle. Die Zeit vergeht und als ich in einer E-Mail lese, dass mein abendlicher Flug 40 Minuten früher starten wird, beende ich die Tour durch Barranco, verabschiede mich im Casa Suayay und fahre mit dem Airport Express zum Flughafen. Der Flug verläuft reibungslos und eineinhalb Stunden später gehe ich durch den Ausgang des Flughafens in Arequiba. Als ich meinen Rucksack auf den Rücksitz eines Taxis stelle und den Fahrer über den Namen und die Adresse meines Hotels informiere, blicke ich zu meinem braunen Alpaka und meine, dass es mich zufrieden anblinzelt.
24. Oktober
Mit einem Nachtbus zu fahren ist etwas, das man vermutlich erstmal vermeiden möchte. Bucht man jedoch einen peruanischen Fernbus im mittleren oder oberen Preissegment - und das ist für unsere Verhältnisse immer noch sehr günstig - bekommt man einen Liegestuhl mit Fußteil zum aufklappen, so dass man sich fast ausgestreckt auf den Rücken legen und schlafen kann. Der Bus ist während der Fahrt komplett abgedunkelt und man wird auch nicht mit Sambarhythmen beschallt. Dort gelingt es mir mich ein wenig auszuruhen und nach einer heißen Dusche und einem großzügigen Frühstück verlasse ich bei leider bewölktem Himmel und kühlen Temperaturen das Hotel, um Limas historisches Viertel zu besichtigen. Die Fahrt mit dem Bus dahin ist weit und irgendwann merke ich, dass ich an dem Stadtteil vermutlich schon vorbeigefahren bin. Die Gegend hier sieht nicht gut aus und ich bleibe im Bus sitzen bis die Menschen wieder vertrauenserweckender aussehen. Irgendwann steige ich aus und suche nach einer Gelegenheit wie ich von hier wieder wegkomme. Als neben mir ein Taxi anhält und der Fahrer mich fragt wo er mich hinbringen kann, bin ich sehr erleichtert und akzeptiere einen etwas erhöhten Preis von 50 peruanischen Soles umgerechnet etwa zwölf Euro. Wir fahren einen ähnlichen Weg wieder zurück und am Plaza del Martin am Rande des historischen Viertels überreiche ich dem Fahrer die 50 Soles in bar. Zu meiner Verwunderung sagt er, dass noch Geld fehle und er einem Preis von 50 US Dolares genannt habe. Ich regiere verärgert und will aussteigen, aber die Türen sind verriegelt. Ich sage dem Fahrer, dass ich nicht mehr als 100 Soles bezahle aber er beharrt auf seinen 50 US Dolares. Es hilft auch nichts, dass ich ihn einen Betrüger nenne und mir wird langsam bewusst in welcher unguten Lage ich mich befinde. Der Fahrer redet jetzt plötzlich davon mir sein bestmöglichstes Angebot machen zu wollen und senkt den Preis auf 160 Soles. Wir einigen uns nun recht schnell auf den Preis von 150 Soles und ich drücke dem Mann das restliche Geld in die Hand. Er entriegelt nun die Tür und blitzschnell stehe ich auf der Plaza del Martin. Das Taxi fährt los und gliedert sich in den laufenden Verkehr ein. Es verschwindet jetzt aus meinen Augen und ich atme tief durch.
Ich spaziere durch eine Einkaufsstraße in Limas historischem Viertel und dort sind auch einige Stoffalpakas ausgestellt. Ich kaufe ein braunes Alpaka, befestige es am Rucksack und habe einen neuen Begleiter.
23. Oktober
Ich platziere die Drohne so, dass sie möglichst weit weg vom See steht aber dennoch vom Uferweg aus abheben kann. Der sehr starke Wind seewärts soll später bei der Landung möglichst viel Spielraum für das geplante "Return to Home" Manöver haben. Zum starten löse ich die Sicherung und die Drohne steigt langsam nach oben. Ich schalte die 4K Drohnenkamera ein und sehe mich selbst mit einer Fernbedienung in den Händen auf dem live übertragenen Kamerabild. Um die wild im Wind wackelnde Drohne etwas zu stabilisieren, lasse ich sie kreisen und richte währenddessen das Kameraobjektiv in eine horizontale Richtung aus, so dass zuerst der Lago Paron und dann die umliegenden Berge auf dem Kamerabild zu sehen sind. Innerhalb von fünf Minuten habe ich sämtliche gewünsçhten Aufnahmen auf meinem Smartphone und aktiviere das "Return to Home" Programm. Ich hatte es fast schon geahnt, aber dennoch erhöht sich mein Pulsschlag spürbar, als ich merke, dass die Drohne beim Landeanflug hinaus auf den See geblasen wird. Ich ziehe an sämtlichen Hebeln der Fernbedienung, um den Kurs der Drohne landeinwärts zu korrigieren. Als ich sie wenige Meter über der Böschung kurzzeitig über Land gezogen habe, aber ein weiterer Windstoss an ihr sichtbar zerrt, schalte ich kurz entschlossen die Fernbedienung aus und zwinge sie damit dazu wie ein Stein in die Böschung zu fallen. Das ist sicher keine feine englische Art und auch kein Beweis meiner Pilotentauglichkeit, aber ich hatte mein bestes gegeben und das war am Ende doch noch gerade gut genug.
Ich gehe zurück zu meinem Taxi, dessen Fahrer mich heute früh eineinhalb Stunden von Caraz hierher an den Lago Paron gefahren hat. Der See liegt auf 4200 Höhenmetern und ist der größte Bergsee der Cordillera Blanca in den peruanischen Anden.
Der Abschied von Belinda und Jorge, ihrem Mann ist sehr herzlich. Belinda schenkt mir einen bunten peruanischen Kugelschreiber und man spürt, dass ihre Sympathie aufrichtig ist. Um 19 Uhr verlasse ich das Haus der beiden und steige kurz darauf in den Nachbus nach Lima.
22. Oktober
Ich holpere mit meinem geliehenen Mountainbike bereits durch den elften oder zwölften unbeleuchteten Tunnel des Canon del Pato. Der Schotter knistert unter den Reifen und ab und zu übersehe ich ein Schlagloch. Es kommen mindestens nochmal zwanzig Tunnels auf der Gesamtstrecke von Caraz nach Huillanca, denn insgesamt gibt es 38 davon. Der Cañon del Pato zerschneidet die gigantischen Gebirgszüge der Cordillera Blanca und der Cordillera Negra an der engsten Stelle auf einen sechs Meter breiten Durchgang. Der reissende Rio Santa dazwischen erinnert mich etwas an den Pamir River, neben dem ich letztes Jahr zusammen mit meinem Freund Micha auf dem Pamir Highway entlang gefahren war.
Ich hatte diese Radtour schon von zuhause über Belinda, die Vermieterin meiner wunderbaren Unterkunft Casa Pukayaha organisiert, das sie mit ihrem Mann, einem langjährigen IBM-Mitarbeiter aufgebaut und 2018 eröffnet hat. Kurz vor meiner Anreise hatte sie mich an den quirligen Tour-Operator Alberto vermittelt, der mich bei meiner Ankunft bereits am Busbahnhof abfängt und in seinem Haus mein Mountainbike herrichtet, während seine Frau mir Frühstück serviert. Das Fahrrad ist in recht gutem Zustand, dennoch muss ich einmal unterwegs einen Platten am Hinterrad reparieren. Der Linienbus in Huillanca bringt mich und mein Fahrrad, im Gepäckraum geschickt verladen, zurück nach Caraz und Alberto fährt mich anschließend zum Casa Pukayaha, wo mich Belinda in sehr gastfreundlicher Manier empfängt und mir später leckere Spaghetti Lom Saltado serviert.
21. Oktober
Huanchan ist berühmt wegen seiner Fischer und deren Boote, aber das scheint mir eher ein Marketing-Trick zu sein. Es handelt sich eher um ein Städtchen, das mit einer Strandpromenade und vielen Hotels und Gastronomiebetrieben ausgestattet ist. Ich lasse mich in einer idyllischen Strandbar nieder und nach einem kleinen Mittagessen, miete ich eine der hier stehenden Strandliegen. Es gab schon schlimmere Tage in meinem Leben, denke ich mir und bereite mich mental auf meine heutige Nachtfahrt mit dem Bus vor.
Es ist alles vollkommen dunkel und ruhig. Man hört wie der Busfahrer immer wieder in einen niedrigeren Gang schalten muss, um Höhe zu gewinnen. Ich bin gerade aufgewacht und habe keine Ahnung welche Uhrzeit wir haben aber ich muss dringend auf die Toilette. Ich verlasse meinen Sitzschlafplatz und taste mich im Dunkeln langsam an die Tür. Der Bus hat Abteile so ähnlich wie ein Zug und zwischen den unteren beiden Abteilen befindet sich ein WC. Zu meinem Ärger lässt sich leider die Verbindungstür nicht öffnen obwohl ich alles versuche. Die Dame neben mir weiß auch keinen Rat und auch ein anderer Passagier aus einem anderen Abteil zieht nach mehreren vergeblichen Versuchen die Tür von der anderen Seite zu öffnen schulterzuckend wieder von dannen. Ich habe das Gefühl meine Blase platzt gleich und überlege verzweifelt was ich noch tun kam, als eine weitere Passagierin von hinten kommt und sich mit dem ganzen Körpergewicht gegen die Tür drückt, so dass sie mit einem größeren Schlag aufspringt. Ich muss gestehen, dass der anschließende Toilettenbesuch einer der Highlights an diesem Tag war.
Nach zehn Stunden Fahrt erreichen wir die Hochandenstadt Caraz mitten in der Cordillera Blanc, eine mit über 50 Bergen über 5700 m die höchste Gebirgskette des amerikanischen Kontinents und zugleich die höchste in den Tropen.
20. Oktober
Der Tag beginnt gemächlich und ich genieße das. Leider ist es draußen nicht nur neblig sondern auch recht kalt, so dass ich über mein T-Shirt noch einen Pulli ziehe. Von kurzen Hosen brauchen wir erst gar nicht zu reden. Zum ersten Mal stört mich dieser seltsame Humboldtstrom.
Geplant ist heute eine geführte Tour nach Huacas del Sol e de la Luna, zwei historische Tempel ganz in der Nähe von Trujillo. Die peruanische Führerin spricht passabel englisch aber leider bereitet mir eine Eigenheit Schwierigkeiten sie gut zu verstehen. Sie betont einige Buchstaben so wie man es im spanischen tut. Zum Beispiel hört sich der Buchstabe 'b' wie ein 'v' an und ich erinnere mich, dass ich in meinem Volkshochschulkurs A1 für Anfänger gelernt habe, dass man den Buchstaben 'b' im spanischen eben so ausspricht.
Dennoch entnehme ich ihren Erklärungen, dass diese beiden Tempel ihre Hochzeit in der Moche-Zeit also zwischen 200 v. Ch. und 700 n. Ch. hatten. In dem Tempel wurden u.a. menschliche Opfergaben gereicht, wobei das Opfer in einem Kampf zwischen zwei Kandidaten ermittelt wurde. Ich verzichte hier darauf die restliche Prozedur zu beschreiben, möchte aber erwähnen, dass ich froh bin nicht in der Moche-Zeit gelebt zu haben.
Eines meiner geplanten Ziele in Trujillo war die Cevicheria Big Ben, die laut verschiedenen Quellen im Internet die beste Ceviche der Stadt wenn nicht sogar in ganz Peru serviert. Bei Ceviche handelt es sich um einen aus Peru stammenden Fischsalat, bei dem roher Fisch mit etwas Salz gewürzt und ganz ohne Hitzezufuhr für kurze Zeit in reichlich Limettensaft kalt gegart wird. Meine Enttäuschung war groß, als ich an diesem Sonntag Abend am Big Ben vor verschlossenen Türen stehe. Kurz entschlossen winke ich an der Strasse ein unbesetztes Taxi zur Seite und bitte ihn mich zu einer guten Cevicheria zu bringen. Die kalte, in Limettensaft getränkte Ceviche schmeckt ungewohnt sauer aber erfrischend. Vermutlich wird dieses Gericht nicht auf meiner Favoritenliste landen, dennoch bin ich zufrieden, dass ich den Mut hatte es zu probieren. Zum Nachtisch gönne ich mir noch einen Daiqiri de la fresa in einer Seitenstraße zur Plaza del Armas und lasse mich danach in einem Taxi direkt vor meinem Hotel abliefern.
19. Oktober
Ich habe heute früh nachgeschaut und die Erklärung gefunden, warum ich in Lima in langen Hosen und Jacke herumrennen muss, obwohl die Stadt nur 1345 Kilometer südlich vom Äquator entfernt liegt. Das gilt übrigens nicht nur für mich, sondern auch für die Einheimischen, von denen viele sogar noch einen Schritt weiter gehen und in der warmen Mittagssonne eine Daunenjacke tragen. Wenn man das Klima von Dakar, der Hauptstadt des Senegal, 1633 Kilometer vom Äquator entfernt mit dem Klima von Lima vergleicht, passt das hinten und vorne nicht zusammen. Ursache für die Kälte in Peru ist der Humboldtstrom.
Die Strömung hat einen erheblichen kühlenden Einfluss auf das Klima der Galapagosinseln, Ecuadors und Perus. Sie ist auch für die Trockenheit der Küstengebiete dieser drei Länder verantwortlich, da die Strömung die Meeresluft abkühlt, was wiederum wenig oder keinen Niederschlag verursacht.
Ich glaube ich bin der einzige Europäer hier an Bord der Latam Maschine auf dem Weg von Lima nach Trujillo. Der Fensterplatz ist eine Qual. Peruaner sind kleine Menschen und Körpergrößen über 180 Zentimeter sind hier für Passagiere in keiner Weise vorgesehen. Mit Druckpunkten an den Kniescheiben und gefühlt etwas gebeugtem Gang verlasse ich das Flugzeug in Trujillo, und quartiere mich im Hotel Medano etwas außerhalb des Stadtzentrums für die nächsten zwei Tage ein. Trujillo ist ein nettes Städtchen, in etwa vergleichbar mit Pisco. Von der Plaza del Arma schlendere ich eine belebte Einkaufsstraße entlang. Ich kaufe mir in einem Laden ein Cap und eine neue Sonnenbrille, da die Sonne hier überall in Peru sehr stark ist. Jeans und T-Shirts gibt es hier zu Tiefstpreisen aber alle Hosen und T-Shirts, die mir passen sind oben zu eng oder unten zu kurz. Nach einem Erdbeermilchshake in einem Eiscafe, fühle ich mich auch etwas schlapp und kehre danach früh zurück in mein Hotel.
18. Oktober
Yeahhh - Heute morgen kann ich einfach mal langsam tun. Es ist außer der Rückkehr nach Lima nichts geplant und ich habe auch nicht vor das zu ändern. Meine Aktivitäten in den letzten Tagen waren zwar körperlich nicht sehr anstrengend, aber dennoch spüre ich, dass mir ein Tag ohne neue Sehenswürdigkeiten und Besichtigungstouren gut tun würde.
Der Bus nach Lima fährt pünktlich gegen 10:40 Uhr ab und in den vier Stunden Fahrt gehe ich nochmal durch die Nachrichten, die ich seit Beginn meiner Reise erhalten habe. Meistens waren es gute Wünsche zum weiteren Reiseverlauf oder auch Bemerkungen zu meinem WhatsApp Status. Es gab allerdings auch zwei konstruktive Vorschläge zur Nachfolge meiner beiden letztjährigen Reisebegleiter Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar Ben Abbul Abbas Ibn Hadschi Dawud Al Gossarah, die nicht so richtig in die Welt der Inkas und des Amazonas passen würden. Bei einem Vorschlag handelt es sich vermutlich um Karl Hammer, auch Vater Jaguar genannt, der offensichtlich in Karl Mays Band 39 "Das Vermächtnis der Inka" als Reisebegleiter tätig ist Der andere Vorschlag ist die Besetzung meiner Begleitung durch eine fiktive Figur, wie einem Flamingo oder eines Alpakas, oder womöglich sogar die eines Meerschweinchens. Bei der Vielzahl an mir bekannten intelligenten und kreativen Bloglesern könnte ich mir durchaus vorstellen, dass es noch weitere Vorschläge zur Idealbesetzung dieser Rolle gibt.
An der Haltestelle La Victoria endet die Busfahrt abrupt und sämtliche Passagiere müssen aussteigen. Für die wenigen Kilometer zu meinem Hotel Casa Suyay im quirligen, modernen Stadtteil Miraflores gönne ich mir ein Taxi. Im Hotel lerne ich einiges von einem einheimischen Angestellten, mit dem man auf Englisch reden kann. Miraflores ist sicher und man kann dort Tag und Nacht auch alleine unterwegs sein. Die Hauptsehenswürdigkeit ist vorne am Meer ein mehrere Kilometer langes Kliff, von dem man einen schönen Blick auf den tiefer liegenden Teil von Lima und die Küste hat. Um ca. 18 Uhr wird es dunkel und die Temperaturen gehen sofort um einige Grad nach unten. Das ist komisch, denn Peru liegt nicht allzu weit weg vom Äquator. Mit tagsüber zwanzig und nachts zwölf Grad Celcius sind die Temperaturen nicht viel höher als bei uns. Ich nehme mir vor dies gegen später im Hotelzimmer "herauszugoogeln". Den Fischgerichten etwas überdrüssig suche ich mir heute zum Abendessen ein Steakhaus und bestelle ein sehr sehr leckeres Fullrack an Spare Ribs mit feiner BBQ Sauce.
17. Oktober
Die Islas Bellistas sind eine Inselgruppe vor Paracas und bestehen aus drei kleineren Inseln und mehreren Felsen. Sie werden im Volksmund auch "Galapagos für Arme" genannt, da es dort genauso wie auf den berühmten Galapagos-Inseln jede Menge Guano-produzierender Seevögel gibt. Ich habe ein Ticket für eine zweistündige Bootstour zu den Inseln gekauft und lese beim Frühstück, dass man den Ausflug nur mit Körperschutzbedeckung machen soll, da die Vögel dort die Touristen mit Guano schmücken. Also packe ich Mütze und Regenjacke ein, um mich wenigstens einigermaßen schützen zu können. Außerdem wird empfohlen eine Reisetablette gegen Seekrankheit einzunehmen. Die Fahrt übers offene Meer ist harmlos, und als sich das Boot den Tieren nähert, wird mir klar, dass ich ohne Guanoreste am Körper wieder heimfahren werde. Die Boote fahren mit Sicherheitsabstand um die Vögel herum, so dass man den Guano nur riecht. Dennoch liefert die Bootstour was sie im Vorfeld versprochen hat. Wir treffen außer den Vögeln sogar Seelöwen , Seesterne, Spinnenmuscheln, Riesenkrabben und Pinguine.
Nach der Rückkehr in Paracas steige ich in ein Colectivo (Sammeltaxi) ein und besorge mir zwei Lesebrillen in Pisco. Pisco ist zwar eine hektische Stadt aber wirkt sehr fröhlich und die Menschen scheinen aufgeschlossen und freundlich zu sein. Wie bereits anderswo beobachtet, läuft an vielen Stellen lateinamerikanische Musik. Fand ich diese Rhythmen ganz zu Beginn meiner Reise noch etwas gewöhnungsbedürftig, gefallen sie mir inzwischen recht gut. Die Stadt Pisco ist auch der Namensgeber des Cocktails Pisco Sour, den es hier und auch in Paracas an allen Ecken zu trinken gibt. Ich beschließe heute Abend in Paracas dieses von mir noch nie gekostete Getränk als Abschluss meines Paracas-Aufenthalts zu testen.
Über mein Hostel hatte ich für diesen Nachmittag noch einen weiteren Ausflug in die Wüstenoase Huachachina gebucht. Um ehrlich zu sein, hat mich der Verlauf der Tour etwas überrascht. In großen Buggys mit niedrigem Schwerpunkt fährt man achterbahnähnlich in einem irren Tempo durch die anliegenden Riesendünen. Wenn man zwischendrin die Muse findet kann man auch noch den gerade stattfindenden Sonnenuntergang beobachten. Auf einer der höchsten Dünen werden dann Sandboards ausgepackt und wer will, darf auf dem Bauch liegend auf dem Board ins Tal fahren. Unten angekommen muss man auch bereits wieder in den Tourbus steigen, der einen wieder zurück nach. Paracas bringt.
16. Oktober
Es gibt immer wieder Fehlzündungen des Motors aber ansonsten donnert mein Moped unaufhaltsam durch das Reserva Nacional de Paracas. Die Wüstenlandschaft ist traumhaft und das Wetter sonnig und mit 19 Grad Celcius ideal. Nach der strapaziösen fast zweitägigen Anreise ist dies der erste Wohlfühltag. Ich passiere Felsformationen wie die Kathedrale, eine Vielzahl von Aussichtspunkten und Buchten. Bei Lagunillas bekomme ich Hunger und gönne mir einen gegrillten Tintenfisch. Es schallt laute, lateinamerikanische Musik aus den Lautsprechern und passt irgendwie an diesen außergewöhnlichen Ort.
Leider verliere ich meine Lesebrille im Park und finde abends in der Stadt keinen Ersatz. Man empfiehlt mir am morgigen Tage mit einem Colectivo in die nächstgrößere Stadt Pisco zu fahren und dort am Plaza de Armas einen Optiker aufzusuchen. Da ich keine Ersatzbrille mitgenommen habe, plane ich dies für den nächsten Tag ein.
15. Oktober
Eine Frage, die mich heute im Bus nach Paracas beschäftigte ist, ob ich auf die Begleitung von Kara Ben Nemsi und seinem treuen Diener Hadschi Halef Omar Ben Abbul Abbas Ibn Hadschi Dawud Al Gossarah zurückgreifen sollte. Die beiden hatten mir im letzten Jahr entlang der Seitenstraße wertvolle Dienste erwiesen und ich hatte sie lieb gewonnen. Doch war ein Kara Ben Nemsi nicht eher mit dem Land der Skiptearen und dem kurdischen Reich verbunden, als mit den Nachfahren der Inkas und der drückenden Feuchte des Amazonasgebietes? Doch wer könnte mich sonst begleiten? Alexander von Humboldt etwa, der Abenteurer und Vermesser der Welt oder Christoph Kolumbus, der Schiffsfahrer und Entdecker? Ich beschloss eine Entscheidung in dieser Angelegenheit zu vertagen und auf einen Geistesblitz zu warten. "Kommt Zeit, kommt Rat" beruhigte ich mich selbst und war froh, dass die schier unendlich lange Anreise von ca. vierzig Stunden gleich zu Ende gehen sollte.
Der erste Eindruck von Paracas macht Lust auf mehr. Zumindest ist die Stadt bunt und liegt direkt am Paźifik. Eigentlich wollte ich nach der Ankunft noch ein wenig baden, aber bei 19 Grad Lufttemperatur und dem Anblick von einzelnen Winterjacken auf den Straßen, beschließe ich die Behauptung Peru sei eine der besten kulinarischen Destinationen der Welt zu üìberprüfen. Noch beeindruckt von dem wunderschönen Sonnenuntergang, lasse ich diesen anstrengenden Tag in einem Fischrestaurant ausklingen.
14. Oktober 2024
Ich sitze im ICE 1061 von Stuttgart nach München und vor mir steht eine leere Tasse Cappucino und ein Teller mit einem angebissenen Croissant. Es ist sowas wie mein Abschiedsessen aus Europa, denn um 12:00 startet mein Flieger nach Frankfurt, von wo ich kurze Zeit später Bogota, die Hauptstadt Kolumbiens anfliegen werde. Morgen früh soll es dann nach Lima weitergehen, der Hauptstadt Perus. Ich bin gespannt auf das, was mich dort erwartet.
Ich stöbere ein wenig in meinem Lonely Planet Reiseführer und am meisten überrascht mich der Ruf der peruanischen Küche. Sie soll abwechslungsreich sein und Feinschmeckern unvergessliche kulinarische Erlebnisse bieten. In den letzten Jahren wurde Peru wohl sogar bei den World Travel Awards (WTA) neunmal zur „Besten kulinarischen Destination der Welt“ gewählt. Ich suche nach weiteren Informationen darüber im Internet und vor mir öffnet sich ein Bild von einem gebratenen Meerschweinchen, das da hilflos auf einem Teller liegt. "Abwechslungsreich ist das schon" denke ich mir und schiebe mir das übrig gebliebene Stückchen Croissant in den Mund.
12. Oktober 2024
Übermorgen soll es losgehen und ich stelle zu meiner großen Überraschung keinerlei Reisefieber fest. Bin ich schon so abgebrüht von meiner Vielreiserei, dass mich das ganze Abenteuer kalt lässt? Mein Kopf schaltet sich ein und sagt mir, dass in acht Wochen viel passieren kann. Ein schlimmer Unfall oder ein Unglück. Dinge, an die man im Vorfeld nicht denkt. Dennoch ist es irgendwie ein gutes Gefühl mit Zutrauen in diese Reise zu gehen.
Im Dezember 2023
Ich spiele Udo Jürgens Lied "Ich war noch niemals in New York" am Klavier und ich denke an meine bevorstehende Reise nach Südamerika. Obwohl mich Länder wie Brasilien oder Chile seit jeher faszinieren, habe ich einen Südamerikabesuch seit Jahren vor mir her geschoben. Ich überlege mir warum das so war, und mir kommen mehrere Gründe in den Sinn. Da ist als erstes die große Entfernung Südamerikas von Deutschland aus aber offensichtlich auch die fehlenden Spanischkenntnisse, die die Kommunikation mit den Einheimischen behindern würde. Etwas unterschwellig aber doch vorhanden habe ich ein gewisses Gefühl der Unsicherheit, da sich Südamerika bereits mehrmals in den letzten Jahren als Drogenumschlagplatz und Tatort von Raubüberfällen an Touristen präsentiert hatte.
'Ach was' dachte ich mir. "Ich war noch niemals in Südamerika" sagte ich vor mich hin und beschloss dies baldmöglichst zu ändern.