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Im Ayurveda Camp 

Eine Gesundheitsreise vom 19. Mai bis 4. Juni 2024

„Was immer wir selbst tun können, um unsere eigene Gesundheit zu stärken, wirkt besser als das, was andere für uns tun.“

Zitat: Dawid Frawley, Amerikanischer Ayurvedaexperte

5. Juni 2024

Seit gestern Abend bin ich wieder im Lande. Ich packe meine neuen pflanzlichen Medikamente aus, die ich in der Apotheke von Nikki's Camp als großzügigen Vorrat gekauft habe. Dazu noch 100 Gramm Vatha-Tee, um das gute Gefühl abzurunden. Nach dem Duschen stelle ich mich auf die Waage und genieße den Blick nach unten. Mal sehen wie lange ich dieses "Traumgewicht" halten kann.

Spannende Wochen liegen nun vor mir. Werde ich nach Rückkehr in mein normales Leben mit der reduzierten Dopamindosis auskommen können? Wird sich wie vom Arzt vorhergesagt nach zwei oder drei Wochen mein Befinden noch weiter verbessern? Inwieweit kann ich meinen Lebensstil gesünder gestalten? Wird mein pflanzliches Medikament in Deutschland genauso wirken wie in Nikki's Nest? Welchen Einfluss wird das Radfahren und das Training im Fitnessstudio haben? Wie wird es Silvia und mir auf der Fahrrad- Alpenüberquerung Via Claudia Augusta ergehen? 

Die neuen Medikamente sind nun verstaut und eine Schachtel des pflanzlichen Dopamins ist in meinem Badezimmerschrank integriert. Plötzlich fühle ich, dass meine rechte Seite leicht unbeweglich wird. Das ist für mich das Signal, dass mein Gehirn bald wieder neues Dopamin braucht. Ich überlege kurz und greife dann zu der neuen Schachtel mit den indischen Schriftzeichen. Ich schlucke zwei Tabletten davon und fühle 15 Minuten später, wie meine rechte Seite die gewohnte Lockerheit wieder gewinnt. Und dann fällt mir ein, was ich vor meiner Reise in einem Ayurveda-Bericht gelesen habe:

Was immer wir selbst tun können, um unsere eigene Gesundheit zu stärken, wirkt besser als das, was andere für uns tun.

4. Juni 2024

Gestern im Flugzeug aß ich Hühnchen und heute beim Frühstück im Flughafen esse ich vegetarisch aber trinke nach zwei Wochen Abstinenz jeweils eine Tasse Kaffee. Es ist ein ungewöhnliches Gefühl nicht auf das ayurvedische Buffet zugreifen zu können und ich mache mir tatsächlich bei beiden Mahlzeiten automatisch Gedanken, ob ich die Ernährungsempfehlungen des Ärzteteams auch richtig befolge.

Im Flughafen Mumbai am Abflug-Gate meiner Maschine nach Frankfurt schaue ich mir die Zugriffsstatistiken dieser Webseite an und sehe, dass die Anzahl der Seitenaufrufe des Ayurveda-Blogs deutlich gestiegen sind. Ich kann wohl davon ausgehen, dass es sich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis herumgesprochen hat, dass ich an Parkinson erkrankt bin. Von dem einen oder anderen habe ich auch bereits liebe Zuschriften bekommen. Manche werden jedoch nicht wissen wie sie mir begegnen sollen. Dazu sollte man wissen, dass es mir in der Regel sehr gut geht. Ich bin sehr gut mit wirksamen Medikamenten eingestellt und fühle mich in punkto Lebensqualität wenig beeinträchtigt. Von daher ist Mitleid oder Bedauern momentan gar nicht angebracht. Mir macht es nichts mehr aus über meine Krankheit zu reden. Das war anfangs sicherlich anders, aber im Lauf der Jahre gewöhnt man sich an die Gegebenheiten und Parkinson gehört eben zu mir. Ich beantworte gerne jegliche Art von Fragen, möchte allerdings auch nicht stundenlang über dieses Thema reden. Die Reaktionen von den Menschen, denen ich bereits von meiner Erkrankung erzählt habe, waren allesamt sehr einfühlsam und in keinster Weise unangenehm. Es spricht auch überhaupt nichts dagegen mir genauso zu begegnen wie seither und das Thema gar nicht oder vielleicht nur bei Silvia anzusprechen.
Ich für meinen Teil habe diesen Blog mit der größtmöglichen Offenheit geschrieben und damit begonnen meine Erkrankung ab sofort nicht mehr zu verheimlichen. Mir ist auch klar geworden, dass ich seither in meinem Leben immer sehr viel Glück hatte und jetzt eben mal etwas Pech. Aber warum sollte ich den Kopf in den Sand strecken? Gibt es doch noch so viele Möglichkeiten und Wege, die ich noch nicht versucht habe. Und warum sollte ich nicht Glück im Unglück haben? In diesem Sinne steige ich ein in den Flieger nach Frankfurt und freue mich auf zuhause, und im speziellen auf meine Frau Silvia, die seit Ausbruch meiner Krankheit immer zu mir gehalten hat und die mich sicher mit Linsen und Spätzle empfangen wird ;-)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Juni 2024

Nach dem Frühstück verabschiede ich mich von Larissa, Fritz und Conny, Alina, Petra und Sybille. Wir hatten gestern noch einen schönen gemeinsamen Tag bei inzwischen strahlendem Sonnenschein sowie ein anschließendes Abendessen.

Noch ein letztes mal runter an den Strand und dann beschließe ich anstatt den von Nikki's Nest angebotenen bequemen Taxiflughafentransfer zu nutzen einen Tuk-Tuk-Fahrer zu buchen. Er bringt mich sicher "über Stock und Stein" zum Flughafen Trivandrum, wo ich gegen 20.45 Uhr den Bundesstaat Kerala mit dem Flieger verlasse. Knappe drei Stunden später betrete ich mein Einzelzimmer im     

Hotel FabExpress Prakash Inn, das sich nur einen Steinwurf entfernt vom Internationalen Flughafen in Mumbai befindet. Im Hotelzimmer gehen mir die letzten 14 Tage durch den Kopf. Mein Leben ist durch diese Erfahrung wieder etwas reicher geworden. Die anfänglichen Zweifel sind mit dem zwischenzeitlichen Erfolg verflogen. Ich habe selbst am eigenen Körper erlebt was Ayurveda bewirken kann. Heute habe ich den fünften Tag in Folge nur 60 Prozent der alten Menge synthetischem Dopamin eingenommen. Und beim Abschlussgespräch hat mir der Chefarzt prognostiziert, dass meine Kur erst in zwei oder drei Wochen ihre endgültige Wirkung erzielen würde. Nie im Traum hätte ich sowas für möglich gehalten. Selbst wenn ich daheim aus irgendwelchen Gründen meine Mediakmentendosis wieder erhöhen muss, habe ich doch eine neue Möglichkeit gefunden dem Fortschreiten meiner Krankheit entgegen zu wirken. 

 

2. Juni 2024

Heute ist Sonntag und es ist gleichzeitig mein letzter Behandlungstag. Auf dem Programm stehen noch einmal Abyangam, die Reisstempel mit Kuhmilch und zu guter letzt eine Gesichtsmaske. Vincent,der in den letzten Tagen richtig aufgetaut ist, bekommt ein Trinkgeld, über das er sich sehr freut. Ich glaube er hatte mich gern als Patienten. Er hat mir aus seiner Sicht das indische Kastensystem und die momentane politische Situation in Indien erklärt und interessiert sich aber auch sehr für meine Reisen. Gestern hat er mir erzählt, dass er mit seiner Familie daheim ein Macchu Picchu Video in Youtube angeschaut habe und fragte mich wie denn das Gebirge dort heißt. Wir nehmen Abschied voneinander und und ich glaube ich werde die Gespräche und die tägliche Ganzkörpermassage etwas vermissen.

Bereits gestern abend war grosser Abschiedstag im Camp. Sascha, Kerstin, Sabine und Günter und einige andere mir bekannte Gäste wurden herzlich verabschiedet. Jeder von ihnen durfte sich ein Abschiedsessen seiner Wahl aussuchen und auch ich darf meinem Essenswunsch für das heutige Abendessen äußern. Zuerst denke ich an Currywurst mit Pommes oder an Spaghetti Bolognese, komme dann aber zu dem Schluss mir besser ein leckeres indisches Essen ohne Reis und Gemüse zu wünschen. Ich entscheide mich für Fisch in einem Bananenblatt zubereitet und Butter Nan.

Beim Abendessen sind nur noch wenige bekannte Gesichter da. Die meisten haben gestern das Camp verlassen. Es sind zwar einige Gäste neu angereist, aber man merkt, dass die Regenzeit nun auch im Kalender begonnen hat und die Nebensaison los geht. Zudem beginnen am 20. Juni Renovierungsarbeiten, so dass man bereits heute keine Gäste mit langfristigen Therapien mehr annimmt. Ich verabschiede mich nach dem Abendessen relativ zügig und begebe mich in mein Chalet, um noch etwas in meinem Buch zu lesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Juni 2024

Die Körperreinigung wurde am gestrigen Tag abgeschlossen, so dass heute der Körperwiederaufbau als die letzte Behandlungsphase beginnen kann. Abyangam, Fussreflexzonenmassage und ein Stempeln des ganzen Körpers mit in Tüchern gewickelten Reis vermischt mit Kräutern. Dazu wird der Körper mit Kuhmilch übergossen, das in eine Wanne fließt und von dort für die Behandlung wiederverwendet werden kann. 

Vincent erkundigt sich wie jeden Tag nach meinem Befinden. Ich erzähle ihm, dass ich meine "alte" Tablettendosis in den letzten drei Tagen nochmal reduzieren konnte aber dafür die "Juckbohne " als alternatives Medikament einnehme. Nach der Behandlung werde ich nochmal zu dem Arzt geführt, der das Anamnesegespräch am Anfang meines Aufenthalts geführt hat und mir auch das Alternativmedikament verordnet hat. Er hat morgen seinen freien Tag und möchte das Abschlussgespräch gerne heute noch durchführen. 

Ich stehe um 15.00 vor seiner Tür und muss als erstes auf die Waage (yeaah - vier Kilogramm weniger als vor zwölf Tagen). Bei der sogenannten Pulsdiagnose fühlt er meinen Puls und bewegt dabei meinen Arm in einem gewissen Rhythmus. Auf irgendeine Weise stellt er damit bei mir gefallene Vatha und Pitha Anteile fest. Ich bekomme abschließend noch einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem sämtliche Speisen stehen, die mir gut tun und auf die ich nicht verzichten muss. Ziemlich weit oben auf der Positiv-Essliste stehen Nudeln. und das sogar mehrmals die Woche. Unglaublich aber wahr. Ich telefoniere mit Silvia und sie verspricht mir an meinem Nachhausekommtag Linsen mit Spätzle zu kochen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

31. Mai 2024

Neben der ayurvedischen Diät und den täglichen Behandlungen hilft mir die "Juckbohne", ein pflanzliches Medikament für Morbus Parkinson. Die Wirkung der Samenextrakte lassen sich auf den hohen Dopamin-Gehalt der Pflanze zurückführen, aber auch neuroprotektive Wirkungen scheinen eine Rolle zu spielen. Laut dem Ärzteteam von Nikki's Nest sind die Nebenwirkungen der Extrakte im Vergleich zu synthetischem Dopamin nicht nennenswert. Bereits im Jahre 2008 wurde durch eine doppelblinde klinische und pharmakologische Studie nachgewiesen, dass ein rascher Wirkungseintritt und die längere Einwirkzeit Vorteile gegenüber synthetischem Dopamin bei der Langzeitbehandlung der Parkinson-Krankheit haben könnte. Eine weitere Studie zur Beurteilung der langfristigen Wirksamkeit und Verträglichkeit konnte ich nicht finden. Das entsprechende Medikament, das mir verordnet wurde, ist auch nur im asiatischen Raum offiziell zugelassen. Wie dem auch sei, nehme ich seit einigen Tagen dieses pflanzliche Medikament in der Hoffnung damit weitere Fortschritte zu erzielen. 

Nachmittags fahre ich mit dem Tuk-Tuk erneut nach Kovalam, dieses Mal aber auf die andere Seite des Orts zu einem Leuchtturm. Mit einem Besuch im Fischerhafen runde ich den Ausflug ab.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

30. Mai 2024

Heute ist der erste Tag mit richtig viel Sonne und ich mache nach meiner Behandlung einen Strandtag. Die Wellen an dieser Stelle im Indischen Ozean sind gewaltig und Life Guards sorgen dafür, dass niemand das Meer betritt. Es ist trotzdem eine willkommene Abwechslung zum Camp und dessen Swimmingpool.
Neben meinem Liegestuhl taucht plötzlich eine Gruppe Mädchen auf und jedes Mädchen darf in Begleitung einer Frau in Schwesterntracht in die Nähe des Wassers und kurz die hereinbrechenden Wellen bestaunen. Die Schwester erklärt mir, dass die Mädchen angehende Nonnen sind und sie heute einen Tagesausflug mit einem öffentlichen Bus hierher machen. Wir machen Fotos voneinander und die Gruppe macht sich anschließend wieder auf den Weg zurück zum Bus. Ich glaube fast der Ausflug diente nur dazu den Mädchen das Meer zu zeigen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

29.Mai  2024

Heute regnet es den ganzen Tag in Strömen. Nach der heutigen Behandlung langweile ich mich im ayurvedischen Sinne. Das soll gut sein für die Gesundheit heißt es. Nachmittags treffe ich zufällig auf Katrin, eine Drehbuchautorin für Fernsehserien (Dr. Mertens, Verbotene Liebe}. Sie ist auf dem Weg zu einem Kochkurs, der vom Chefkoch des Camps angeboten wird. Wir kochen dann gemeinsam ein Blumenkohlcurry, dann ein Dal-Gericht und zuguterletzt ein Rote-Beetegericht. Alle drei Gerichte sind nach ayurvedischen Rezepten und werden heute Abend als Vatha (Linsen), Pithu (Rote Beete), Kaffa (Blümenkohl) angeboten. In den ersten Tagen dachte ich, dass man bei einem Dosha-Überschuss das jeweilige Dosha Gericht essen sollte. Ich fragte mich damals was bei einem Dosha Mangel zu tun sei bis mir Sabine erklärte, dass ein Dosha-Gericht das Dosha in jedem Falle synchronisiert, d.h. sowohl Überschuss wie auch Mangel eines Doshas ins Gleichgewicht bringt.   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

28. Mai 2024

Die Auswahl am täglichen Buffet zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen im Camp ist sehr groß und die Zubereitung und Vielfalt wird von allen Seiten gelobt. Ich kann mich dem Lob nur anschließen, aber dennoch habe ich immer das Gefühl, dass ich etwas unrundes oder unvollendetes esse. In kurzen Worten gesagt: Irgendwas fehlt. Das liegt sicherlich nicht an der Kochkunst des Küchenteams sondern an den ayurvedischen Rezepten.

Natürlich freue ich mich riesig auf die heimische Küche und der Gedanke an eine Currywurst mit Pommes lässt mein Herz höher schlagen, aber ich nehme mir vor nach meiner Rückkehr nach Deutschland etwas gesundheitsbewusster zu leben.

Heute ist der zweite Körperreinigungstag und mein Therapeut Vincent verrät mir, dass bei einer Shirodhara-Behandlung zwei Liter Kokosöl eingesetzt werden und das Ölbad fünf volle Liter Sesamöl benötigt. Das Öl wird wohl in einer hauseigenen Raffinerie, ungefähr 80 Kilometer von hier entfernt, zu Sesam- oder Kokosöl verarbeitet und nach Verwendungauf einer Deponie entsorgt. Laut Vincent hat Nikki's Nest circa 150 Mitarbeiter und ist daher schon ein mittelgroßes Unternehmen.

Vincent selbst ist 38 Jahre alt, hat zwei Kinder und ist kein Hindu sondern katholisch. Sein Großvater wurde vor etwa 100 Jahren in Kerala von englischen Missionaren zum Christentum bekehrt, und seither ist seine Familie dem Christentum zugewandt. Er wohnt in einem Dorf nahe von Nikki's Nest und besucht dort mit seiner Familie regelmäßig katholische Gottesdienste. Er erzählt, dass er 12 Jahre zur Schule ging und danach ein Geschichtestudium begann, das er aber ein halbes Jahr später abbrechen musste, da er die Studiengebühren nicht bezahlen konnte. Seine Tante vermittelte ihn dann an den Vater von Nikki, den Gründer von Nikki's Nest. Er begann eine halbjährliche Ausbildung im Fach "Ayurvedic Nursery" und durfte nach zwei Jahrem zum ersten Mal selbstständig einen Patienten als Therapeut in einer Kur begleiten. Falls ich mal wieder hierher kommen sollte, werde ich im Vorfeld mit Nikki's Nest Kontakt aufnehmen und ihn mir als Therapeuten während der Kur wünschen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

27. Mai 2024

Inzwischen kenne ich schon recht viele Gäste im Camp. Es ist offensichtlich, dass es zwei verschiedene Lager innerhalb des Camps gibt. Da sind die Puristen, die Ayurveda aus voller Überzeugung leben. Und dann gibt es die Anderen, die Ayurveda entweder entdecken oder testen wollen. Es gibt vor und nach den Anwendungen und beim Essen jede Menge Möglichkeiten sich kennen zu lernen und sich auszutauschen. Ich mache jede Wette, dass in diesem Camp bereits Freundschaften fürs Leben geschlossen wurden.
Gestern Abend gab es einen "Bunten Abend" mit Live-Musik und Essen auf Bananenblättern. Dabei konnte man beobachten, dass sich die Mitglieder beider Lager sehr selten mischen. Ich mache dabei keine Ausnahme und ziehe Gespräche mit einem der Anderen vor.
Mit der Körperreinigung beginne eine neue Behandlungsphase, eröffnet mir die heute zuständige Ärztin bei der morgendlichen Audienz. Feste Bausteine dabei sind für die nächsten fünf Tage:
Abyangam, Shirodharas (wie könnte es auch fehlen), Talam (ein Kräutermix in Pulverform  wird auf der Krone des Kopfes appliziert), Pizhichil (Ölbad) und zu guter letzt Snehavasti (ein kleiner Einlauf mit Sesamöl und Kräutern - nur an den ersten drei der fünf Tagen).
Beim Ölbad werden Unmengen von Sesamöl über die in einer vielleicht zehn Zentimeter hohen Wanne liegende Person mit Tüchern ausgewrungen. Sobald die Wanne voll ist wird das Öl abgelassen und erneut über die Person verteilt. Bereits nach wenigen Minuten höre ich auf die
Durchgänge zu zählen. Ich fühle mich wie eine Ölsardine kurz vor dem Eindosen. Ich bin schwer beeindruckt, denn ich habe den Eindruck es werden keine Kosten und Mühen gescheut, um mir auf ayurvedischen Wegen zu helfen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

26. Mai 2024

Bei der heutigen Audienz beim Ärzteteam berichte ich von der guten Verträglichkeit der Anwendungen und den ersten Behandlungserfolgen. Ich konnte an den letzten vier aufeinanderfolgenden Tagen meine gewohnte Tablettendosis von 100 auf 80 Prozent senken. Mit den pflanzlichen Tabletten, die ich seit gestern einnehme geht die Tendenz sogar zu 70 Prozent. Und das obwohl ich die ayurvedische Spur manchmal verlasse. Gestern war ich trotz morgendlichem Kinnhaken mit einem Tuk Tuk-Fahrer in einem nahe gelegenen Fischerdorf und anschließend Gast in einem Fischrestaurant in Kovalam.
Beim Abendessen im Camp lernte ich dann Sabine und Günter kennen. Sabine ist Ayurveda-Puristin, zudem Yogalehrerin, und erzählt mir sehr viel mehr über Ayurveda, als ich seither wusste. Sie stufte mich nachdem ich mit ihr wenige Minuten über Belangloses geredet habe als Vatha-Pitha-Typ ein und erzählte auch, dass sie bereits sieben- oder achtmal in Nikki's Nest war. Sie meinte, dass sie dieses Camp genau dann aussucht, wenn sie in Begleitung eines Ayurveda-Einsteigers anreist. Gewöhnlich sei sie Gast in wesentlich strenger geführten Camps, in denen auch nur Inder und keine anderen Ausländer vorzufinden sind. Ich dachte an meinen Ausflug in das Fischrestaurant und kam zu dem Schluss, dass ich nie so leben könnte wie sie. Dennoch imponierte sie mir durch ihre Geradlinigkeit und Konsequenz und ich empfinde auch heute, einen Tag nach unserer Unterhaltung eine Menge Respekt vor ihr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

25. Mai 2024

Heute Nacht habe ich sehr schlecht geschlafen und ich mache dafür dieses seltsame Shirodara verantwortlich. Der Schwächeanfall im Shoppingcenter und die darauf folgenden zwei Stunden Tiefschlaf haben mich heute Nacht aus der Bahn geworfen. Zudem musste ich - und das ist für mich komplett unüblich - noch mindestens fünf mal auf die Toilette. Vermutlich hatte das Medikament, das ich gestern abend vom Ärzteteam bekommen habe eine wasserabführende Komponente.

Und heute stand erneut diese Behandlungsmethode auf dem Plan. Ich musste unbedingt darauf hinweisen, dass mit meiner Gesundheit schonender umgegangen wird. 

Das Gespräch mit der heute zuständigen Ärztin läuft anders als erwartet. Ich schildere die Schlafattacke, meine schlechte Nacht und lege dann überzeugend meinen Verdacht auf den Tisch. Die Ärztin fragt mich wo ich denn müde geworden bin - außerhalb oder innerhalb des Camps. Nachdem sie erfährt, dass ich in einem Shoppingcenter war, rümpft sie Nase und redet etwas von Entspannung im ayurvedischen Sinn. Dann fragt sie mich vollkommen überraschend, ob ich denn dort auch was gegessen hätte. Diese Frage sitzt wie ein Kinnhaken und ohne dass ich antworte, kann sie die Antwort aus meinen Blicken lesen. Sie erzählt noch irgendwas von ayurvedischer Kost und Toxinen in unseren Lebensmitteln, jedoch registriert mein Gehirn nur die Hälfte, da sie mir während ihrer Erklärung den Behandlungsplan für heute zuschiebt, und ich auf den ersten Blick das Wort "Shirodhara" erkenne. Zudem bekomme ich zum Frühstück und zum Abendessen je zwei ayurvedische Tabletten verordnet, die laut der Ärztin die Dopamin-Produktion anregen sollen.

 Die Anwendungen verlaufen heute unspektakulär. Zwar habe ich erneut gegen Ende des Shirodharas dieses Fahrradhelmgefühl aber die Erschöpfung bleibt an diesem Tag vollends aus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

24. Mai 2024

Auf dem Behandlungsplan heute steht die Anwendung "Shirodhara" (Stirnguss). Laut meiner Quelle https://www.terraelements.de/blog/Shirodhara-der-ayurvedische-Stirnoelguss zählt sie zu den ältesten Anwendungen im Ayurveda. Der Begriff setzt sich aus zwei Sanskrit-Worten zusammen: Shiro, der Kopf, und dhara, der Fluss. Wie es der Name bereits vermuten lässt, fließt beim Shirodhara warmes Öl auf den Kopf – genauer gesagt auf die Stirn. Zwischen den Augenbrauen und dem Haaransatz befindet sich laut ayurvedischr Lehre das sogenannte dritte Auge. Dieser Punkt gilt dort als Sitz unserer Intuition, der mit unserer Seele und unserem Bewusstsein in Verbindung steht. Indem das warme Öl auf diesen trifft, soll er stimuliert werden. Der Ölguss wird daher vor allem bei Beschwerden im Bereich des Nervensystems angewendet aber auch zur puren Entspannung.

Die Anwendung dauert bei mir ohne Vor- und Nachbereitung 30 Minuten. Anfangs muss ich mich an das fließende Öl auf meiner Stirn gewöhnen, aber dann döse ich minutenlang vor mich hin. Gegen Ende der Behandlung entwickelt sich ein leichtes Spannungsgefühl am Kopf, wie wenn man den ganzen Tag einen Fahrradhelm getragen hat. Glücklicherweise ist die Behandlung kurz darauf vorbei.
Andere Patienten hier im Camp erzählten allesamt von einer anschließend eintretenden Erschöpfung doch ich fühle das nicht. Nachdem ich vier Stunden später immer noch nicht erschöpft bin, fahre ich zusammen mit Kerstin und Sascha mit einem Taxi ins nahe gelegene Trivandrum. Dort besichtigen wir den sehenswerten Kuthiramalika Palast und fotografieren den Padmanabhaswamy Tempel von außen. Anschließend verbringen wir noch etwas Zeit in einem Shoppingcenter und plötzlich fühle ich mich müde und kaputt. Entweder der Besuch des Shoppingcenters oder die morgendliche Behandlung haben mich total aus der Bahn geworfen. Nach der Rückkehr ins Camp um 18.30 Uhr schlafe ich volle zwei Stunden bis das Zimmertelefon klingelt und mich unsanft weckt. Der zuständige Arzt zur Verabreichung der abendlichen Medikamente ermahnt mich doch bitte möglichst zügig bei ihm vorbeizukommen. Natürlich mache ich mich prompt auf den Weg und treffe auf einen Mann, der ein leeres großes Tablett mit genau einem vollen Medizinfläschchen bewacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

23. Mai 2024

Es gibt hier im Camp, wie im richtigen Leben, nette und weniger nette Menschen, aber fast alle haben sie eine Krankheitsgeschichte. Ich mache kein Geheimnis aus meiner Krankheit, zumindest bei den netten Menschen. Zwei davon sind Johanna und Elisabeth, beide ungefähr 65 Jahre alt, aus der Nähe von Wien stammend und miteinander befreundet. Johanna hat ihren Sohn durch Krebs verloren, ihn die letzten Jahre gepflegt und dabei an Gewicht zugenommen, das sie hier wieder loswerden möchte. Elisabeth braucht eine Auszeit von zuhause, wo sie gerade dabei ist ihre Firma, die osteuropäische Pflegekräfte vermittelt, an neue Besitzer zu übergeben. Wenn immer man sich sieht, plaudert man etwas miteinander und lernt sich näher kennen. Das ist in der Warteschlange vor den Behandlungen, beim Tee nach den Behandlungen, beim Essen im Restaurant, in der Internet-Zone nahe der Rezeption oder in der Bibliothek. 

Dann gibt es noch Kerstin und Sascha, beide aus Göppingen und 52 Jahre alt. Sascha hat vermutlich Parkinson und wurde von Kerstin überreden oder überzeugt (mir ist noch nicht ganz klar ob erstes oder zwites) hierher zu kommen, um seinen Tremor alternativ behandeln zu lassen. Beide sind recht einfach gestrickt aber tragen ihr Herz auf der Zunge und sind mir sympathisch obwohl Kerstin eine Corona-Impfgegnerin ist. Sie war bereits vor einigen Jahren in Nikki's Nest und litt damals an Nierenkoliken, die sie erfolgreich behandeln ließ. 

Um 14.45 muss ich mich heute wieder im orangefarbenen Kostüm dem Ärzteteam vorstellen. Mein Blutdruck ist relativ niedrig für meine Verhältnisse aber noch im Normalbereich. Mir wird der heutige Behandlungsplan erläutert und zum dritten Mal in Folge sind eine Ganzkörpermassage und eine Fussreflexzonenmassage verordnet. Zudem ist erneut die Stempelmassage mit heißem Sesamöl und Heilkräutern geplant. Und zum Abschluss soll es eine Nasenspülung geben, die die vorhandenen Giftstoffe aus dem Gehirn entfernt. Das hört sich etwas beängstigend an und ich erkundige mich beim Ärzteteam was es genau damit auf sich hat. In meiner Fantasie stelle ich mir eine größere Menge Flüssigkeit vor, die mir mit einem Schlauch in ein Nasenloch eingeführt wird und mir entweder in den Rachen oder zum anderen Nasenloch wieder herausläuft. Sollte es sich um viel Flüssigkeit handeln, würde ich die Behandlung auf jeden Fall ablehnen und die Giftstoffe in meinem Gehirn lieber behalten. Die zuständige Ärztin redet jedoch von zwei Tropfen Kräuteröl pro Nasenloch, die mit einer Pipette in die Nase eingeflößt werden. In der Tat stellt sich die Behandlung als total harmlos heraus und ist vergleichbar mit der Einnahme von zwei Nasentropfen auf jeder Seite.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 22. Mai 2024

Punkt 7:45 Uhr stehe ich am Behandlungsgebäude von Nikki's Nest, vor dem bereits in orangefarbenen Kutten bekleidete Patienten in einer Reihe warten. Zwei Österreicherinnen machen mich darauf aufmerksam, dass ich mich hinter ihnen anzustellen habe. Als ich an die Reihe komme, wird mir vom Ärzteteam der Behandlungsplan, der mir für den Vorabend versprochen wurde, überreicht. Es stehen verschiedene ayurvedische Behandlungsmethoden auf die einzelnen Tage verteilt in einer Tabelle. Die Namen sagen mir allesamt nichts ausser Abyangam, die Ganzkörpermassage, die mir bereits gestern verabreicht wurde. Für den heutigen Tag wird mir erneut Abyangam und Pada Abyangam (Fussreflexzonenmassage) sowie Patrapotala Swedam (Stempelmassage) verordnet und das ganze soll zwei Stunden dauern. Die Vollstreckung folgt sogleich und ich bin etwas gespannt auf die Stempelmassage. Dabei werden mit Stoff umspannte Stempel in der Größe von Kaffeetassen in heißem Sesamöl getränkt und auf die Haut gedrückt. Wenn der ganze Körper abgestempelt ist, ist die Massage vorbei und ich bekomme zum Abschluss noch eine Handvoll Kardamonpulver auf den Kopf gestreut. Danach darf man eine dieser orangefarbenen Kutten überziehen und muss weitere zwei Stunden darin das Öl in den Körper einwirken lassen.

Das ganze lässt in mir so ein wenig das Gefühl aufsteigen, als ob ich Teil einer Sekte wäre. Dabei kommen mir die Baghwan Jünger aus den 70er-Jahren in den Sinn und ich glaube mich erinnern zu können, dass die ganze Sache damals ungut endete.

Kurz entschlossen beschließe ich mit dem Tuk-Tuk nach Kovalem, einem zehn Kilometer entfernten Strand zu fahren. Etwas Abstand gewinnen, die Baghwan-Jünger aus den Augen verlieren und sich unter das gewöhnliche indische Volk mischen. Genau das möchte ich jetzt. Kovalem hat nicht viel zu bieten und zudem regnet es noch. Nach einer guten Stunde lasse ich mich von dem Tuk-Tuk Fahrer zu einem Elektroladen fahren, um einen Wasserkocher zu kaufen. Er soll mir morgens dazu dienen selbst Tee zu kochen. Eigentlich ist eine solche Eigeninitiative auf dem Sektengelände nicht vorgesehen, aber der Gedanke auf zwei Wochen Getränke nach Vorschrift des Hauses lässt mich schaudern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

21.Mai 2024

Der Arzt, der mich zum Anamnesegespräch empfängt macht einen vertrauenserweckenden Eindruck. Er spricht sogar ein wenig deutsch und wie er später verrät ist das eine Folge seines mehrjährigen Aufenthalts in der Schweiz nach der Jahrtausendwende. Seit seiner Rückkehr nach Indien vor zwanzig Jahren ist er in Nikki's Nest als Ayurveda-Arzt beschäftigt. Er wirkt emphatisch aber auch wie ein erfahrener Arzt, der schon jede Menge gesehen hat. Er geht mit mir geduldig durch einen Fragenkatalog und ich beschließe ihm zu vertrauen und gebe meine komplette Krankheitsgeschichte preis.

Seine Analyse ergibt wenig überraschend, dass ich ein Vata-Pitta-Typ bin (siehe Kapitel "Motivaton") und nach Verkündung des Urteils kündigt er für den Abend einen fertigen Behandlungsplan für die kommenden zwei Wochen an.

Für 15:00 am Nachmittag ist Abyangam, die indische Form der Totalkörpermassage sowie eine Fussreflexzonenmassage eingeplant. Beides zusammen dauert zwei Stunden und wird mit heißem Sesamöl und Heilkräutern durchgeführt. Nach der Massage muss das Öl noch zwei Stunden in den Körper einwirken, um die volle Wirkung zu entfalten. 

Alles in allem war das ein sehr angenehmer Behandlungstag und ich falle abends ins Bett wie nach einer Hundertkilometer-Radtour. Ich bin gespannt ob und wann die Maßnahmen sich in irgendeiner Form auswirken werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

20.Mai 2024

Mumbai hat sich auf den ersten Blick seit 2015 nicht viel verändert. Eine unglaubliche Hitze, verstopfte Straßen, der andauernde Straßenlärm, heruntergekommene Wohnhäuser, der Gestank nach Kanalisation, aber auch freundliche Gesichter der Menschen  die man überall sehen kann.

Das preiswerte Hotel, das ich gebucht habe, um die Zeit zu verbringen zwischen morgendlicher Ankunft in Mumbai und dem abendlichen Weiterflug nach Trivandrum, hat recht wenig Ähnlichkeit mit den Hotelbildern, die in booking.com gezeigt werden. Um ein wenig auszuruhen und der Tageshitze von Mumbai zu entkommen, ist es jedoch ausreichend, und das Personal bemüht sich sehr um mich. Dennoch bin ich froh, als mein Flieger nach Trivandrum von der Landebahn abhebt und ich drei Stunden später erneut bei trockenem Wetter mit einem Tuk-Tuk zu Nikki's Nest gefahren werde. Es hat vermutlich kurz vor meiner Ankunft erheblich geregnet, aber mein Fahrer durchfährt die riesigen Pfützen auf der Straße ganz langsam, und bekommt ein Sondertrinkgeld für rückenschonendes Fahren.

Nikki's Nest wirbt mit Ayurveda-Kuren in familiärer Atmosphäre und einem schönen Strand. Tatsächlich liegt es vor einem alten Fischerdorf, ca. 20 Kilometer südlich von Trivandrum. Die Anlage ist terrassenförmig angelegt, auf einem zum Meer hin abfallenden Hügel. Das Chalet, das ich für 15 Tage gemietet habe bietet einen tollen Blick auf die wunderschöne Malabar-Küste.
Ich werde freundlich empfangen und bei einer Tasse Kräutertee wird mir erläutert, dass ich morgen früh um 6.30 Uhr die Yoga-Klasse besuchen soll und um 10.00 ein Anamnesegespräch mit einem Arzt aus dem sechsköpfigen Ärzteteam haben werde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

19. Mai 2024

Ich habe eine ganze Sitzreihe in dem Air Vistara Flieger, der mich von Frankfurt nach Mumbai bringt. Da es sich um einen Nachtflug handelt, hatte ich einen Großteil des Fluges bereits quer liegend auf drei Sesseln verschlafen und nur noch drei von insgesamt neun Stunden Flugzeit vor mir. Ich öffne die Sichtklappe an meinem Fenster und gerade in diesem Moment taucht die strahlende Sonne am Horizont auf. Zu meiner Freude erkenne ich im Flugstatus an meinem Bildschirm, dass wir gerade in östlicher Richtung über Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistans fliegen. Hier war ich noch vor ein paar Monaten in einem Jeep auf der Seidenstraße unterwegs.

Ganz tief unten erkennt man sogar den Panj River, den Grenzfluss von Tadschikistan nach Afghanistan. Seltsamerweise ist der Himmel blau-violett verfärbt, und die Sonne scheint nicht die volle Strahlkraft zu haben. Das Flugzeug biegt jetzt in südliche Richtung ab und die Sonne geht innerhalb weniger Minuten wieder unter. Ich frage mich, ob ich in der Schule richtig aufgepasst habe, aber dann fällt mir ein, dass die Tage nahe des Äquators kürzer sind als die nördlich des Himalayas. Auf der Landkarte des Flugstatus erkenne ich den Berg K2 und versuche ihn in dieser fantastischen Bergwelt des Himalaya zu identifizieren. Die dunkle Nacht verwandelt sich jetzt wieder in blau-violett und die Sonne geht erneut auf. Die blau-violette Farbe lässt auch eine Stunde später nicht locker, und ich frage mich erneut, ob ich alles hier richtig verstehe. Als es plötzlich innerhalb von Sekunden taghell wird, kommt mir der Gedanke, dass die Besatzung des Flugzeugs die Tönung der Scheiben eventuell verändert hat. Um circa 9.00 Uhr landen wir in Mumbai und ich bin verwundert, dass es nicht regnet

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

16. Mai 2024:

Um meine Vorfreude noch etwas zu steigern, habe ich heute bei strömendem Regen in Schönaich die Wettervorhersage in Südindien studiert und bin etwas erschüttert. Das erwartet schöne Wetter dort kann ich nicht finden und alles was ich dort sehe ist mehrere Tage Dauerregen mit zwar hohen Temperaturen aber mit täglich fünfzig Litern Wasser auf den Quadratmeter. Es scheint so als ob der für Juni prognostizierte Monsun etwas früher begonnen hat. Ich schließe schnell wieder alle Fenster auf meinem PC und bilde mir ein, dass ich die Reise ja nicht wegen des schönen Wetters sondern wegen meiner Ayurveda-Kur gebucht habe. 

 

Motivation

Mal wieder Indien werden sich die meisten denken und da bei vielen in Erinnerung geblieben ist, dass Silvia und ich vor 9 Jahren dort mehrere Monate in einer Art "Sabbatical" verbracht haben, wird ihnen diese Reise als nicht besonders außergewöhnlich vorkommen. Nach meiner Rückkehr von der Seidenstraße wurde ich oft gefragt, was denn die nächsten geplanten Reisen sind, und ich habe Indien als Reiseziel nie verschwiegen aber witzigerweise waren nur die anderen Ziele eine Nachfrage wert. Warum ich dieses Mal nach Indien gehe, wissen die wenigsten und irgendwie war es mir auch ganz recht, dass niemand sich näher erkundigte. Denn damit hätte ich jedem einzelnen erzählen müssen, dass ich eine Krankheit habe, die ich ergänzend zur Schulmedizin der westlichen Welt mit indischen Heilmethoden behandeln lassen möchte. Ich bin kein Mensch, der gerne über seine Wehwehchen redet, und schon gar nicht über Krankheiten, aber in letzter Zeit reifte in mir der Gedanke meinen Aufenthalt in einem Ayurveda Camp in Trivantrum, Kerala, Südindien etwas näher zu erklären. 

Im Jahr 2016 teilte mir ein Neurologe mit, dass ich an Morbus Parkinson erkrankt bin und mir wurde schlagartig klar, dass dies mein Leben radikal verändern würde. Zwar konnte man überall lesen, dass die Krankheit langsam fortschreitet, aber wenn man im Internet danach suchte, fand man Bilder und Berichte von einer unheilbaren Krankheit, die individuell komplett unterschiedliche Verläufe zeigte, und es daher schwer zu prognostizieren war wie sich die Krankheit nun bei mir entwickeln würde. Bis dahin war Morbus Parkinson für mich eine "Zitter"-Krankheit und umso erstaunlicher fand ich es, dass bei mir wenig zitterte, sondern stattdessen mein rechter Arm bewegungsarm wurde. Ich war froh, dass sich die meisten "meiner" Symptome medikamentös sehr gut behandeln ließen, aber dennoch hat es annähernd ein Jahr gedauert bis ich die Krankheit akzeptieren konnte. Ein über 80-jähriger Psychologe, dem ich heute noch sehr dankbar bin, half mir dabei den ersten Schrecken zu überwinden und vermittelte mir den Gedanken, dass es an der Zeit wäre gewisse Dinge anzupacken, solange es mir noch so gut gehe. Auch heute (immerhin schon acht Jahre später) sehen mir die wenigsten die Krankheit an, aber die Medikamentendosis muss immer wieder erhöht werden, um das fehlende Dopamin im Gehirn auszugleichen. Eine weitere schlagkräftige Behandlungsmethode ist viel körperliche Bewegung (im speziellen Radfahren) und sicherlich auch die Erhaltung der geistigen Beweglichkeit. 

Bei diversen Arztbesuchen wurde mir in den letzten Jahren immer wieder attestiert, dass ich mit meinen Fahrradtouren und Reisen das maximal mögliche tue, um den Verlauf der Krankheit zu verlangsamen. Dennoch fragte ich mich jedes Mal wenn es wieder soweit war meine Mediakmentendosis zu erhöhen, was ich denn sonst noch tun könnte, außer durch die Welt zu reisen und auf einen Durchbruch in der medizinischen Forschung zu warten. Bei der Lektüre eines Internetartikels nahm ich zur Kenntnis, dass die neuesten Forschungsberichte darauf schließen lassen, dass sich meine Form des Morbus Parkinson im Darm entwickelt. Von hier aus braucht man nicht mehr viel Fantasie, um zu erkennen, dass Ernährungsfragen eine Rolle spielen könnten und eine ganzheitliche Behandlungsmethodik vielleicht helfen könnte. Die Wochen in Indien im Jahre 2015 fielen mir ein und auch wie verträglich die leichte indische Nahrung war, und nicht zuletzt wie verheerend mein Ernährungsstil hier in Deutschland stattfindet.

Ayurvedische Medizin legt nicht wie die westliche Schulmedizin ihren Fokus auf das Behandeln einzelner Symptome des Patienten, sondern setzt  ganzheitlich an den Auslösern der Krankheit an. Dabei spielt der Ausgleich der drei Doshas Vata, Pitta und Kapha eine zentrale Rolle.

  • Vata: Das, was lebendig macht. Es ist der Beweger in allem – der Wind in der Natur und die Energie, die uns gehen, laufen oder tanzen lässt. Vata ist trocken, leicht, rau und kalt.
  • Pitta: Liefert die Energie, die verwandelt. Es ist das Feuer in uns, das für einen scharfen Verstand und einen starken Metabolismus sorgt. Pitta ist heiß, leicht, etwas ölig.
  • Kapha: Sorgt für Festigkeit und Stabilität. Es ist die uns umgebende Erde. Kapha ist feucht, kühlend und schwer.

Jeder Mensch kommt mit einer Mischung dieser drei Doshas auf die Welt. Jedes Dosha steht für unterschiedliche Merkmale, Charaktereigenschaften, Bedürfnisse und Vorlieben. Leben wir ein Leben nach unseren Bedürfnissen etc., dann sind die Doshas in Balance. Leben wir ein Leben entgegen den Bedürfnissen unserer Doshazusammensetzung, kann eine Disbalance entstehen und Krankheiten auftreten. Treten Krankheiten auf, ist die erste Maßnahme im Ayurveda die Doshas wieder in ihre Balance zu bringen. Bei Morbus Parkinson handelt es sich in der Regel um eine Vata-dominante Krankheit.   

Bald werde ich mich also auf den Weg machen und ich weiß jetzt bereits, dass die ayurvedische Behandlung kein Zuckerschlecken sein wird. Die Unterlagen, die ich bis jetzt zu der bevorstehenden Ayurveda-Kur gelesen habe lassen zumindest darauf schliessen. Auch die Zeit danach bereitet mir jetzt schon etwas Kopfzerbrechen. Sollte die Kur eine positive Wirkung zeigen, muss ich wahrscheinlich meinen lieb gewonnenen "ungesunden" Lebensstil umstellen. Bedeutet dies vielleicht sogar ein Leben ohne Cordon Bleu und sonstige Delikatessen?  Aber sollte ich deswegen einfach so weitermachen wie seither und womöglich Jahre an Lebensqualität verlieren? Zumindest versuchen sollte ich es, sagt mir meine innere Stimme und wie alles im Leben wird nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird. Selbst auf Morbus Parkinson kann man diesen Satz anwenden und irgendwie freue ich mich auch darauf mal wieder etwas Neues kennenzulernen.   

 

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