Die Olympischen Sommerspiele in Paris vom 27. Juli bis 11. August 2024
"Dabei sein ist alles" Pierre Coubertin
11. August 2024
Die Olympischen Spiele 2024 enden heute. Es war ein großartiges Sportereignis mit tollen Momenten, einem fantastischen Paris als Gastgeberstadt, sehr sehr hilfsbereiten, kompetenten freiwilligen Helfern und vor allem keinerlei Störungen von außen in Form von Terroranschlägen oder politischen Unruhen. Für mich war es auch anstrengend. So verrückt es klingt, aber die vielen Tickets, die ich hatte, haben mich mehr gefordert als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Wenn man nachrechnet, kommt man in der Tat auf sechs bis sieben Stunden Zeitaufwand pro Sportveranstaltung (aufgeschlüsselt in eine Stunde Anreise, eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn sollte man an der Sportstätte ankommen, drei bis vier Stunden Wettkampf, eine Stunde Heimreise). Wenn man also nicht auf die eher durchschnittliche Verpflegung in den Sportstätten zurückgreifen wollte, kommt man mit zusätzlicher Zeit für Cafe- und Restaurantbesuche bei zwei Veranstaltungen am Tag auf ca. 13 Stunden Zeitaufwand. Das erklärt auch warum ich jeden Abend erst nach Mitternacht in meine Unterkunft zurückkehrte und todmüde in mein Bett fiel. Jammern auf hohem Niveau könnte man sagen aber trotzdem freue ich mich mal wieder daheim die Beine hochzulegen und die Geschehnisse des Tages in aller Ruhe bei einer Tasse Kaffee nachzulesen.
Das olympische Feuer zieht um nach Los Angeles, Gastgeber der nächsten Sommerspiele 2028. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diese Spiele nicht besuchen werde. Zu viele andere Dinge habe ich im Kopf. Aber wer weiß denn schon was 2028 sein wird...
10. August 2024
Den Schlusspunkt der Olympischen Leichtathletikwettbewerbe bilden traditionell die Marathonläufe der Damen und Herren. Die Herren bekommen dieses Mal den Vortritt und um Punkt 8 Uhr starten die Läufer am Pariser Rathaus, um die 42 Kilometer lange Marathonschleife über Versailles bis zum Invalidendom möglichst schnell hinter sich zu bringen. Silvia und ich verlassen ungefähr eine Stunde später unser Haus in Bondy und fahren mit dem Vorortzug an den Gare du Nord und anschließend mit der Metro an Kilometer 41 der Strecke. Bei unserer Ankunft sind noch keine Läufer zu sehen und eine neben mir stehende Französin meldet eine wahrscheinliche Ankunftszeit in 7 Minuten basierend auf den Fernsehbildern und aktuellen Zeiten der Läufer, die sie aus der auf ihrem Handybildschirm flimmernden TV -Übertragung entnimmt. Und dann tauchen die ersten Läufer ganz hinten am Ende der langgezogenen Straße auf. Der momentan führende ist ein Äthiopier namens Tamirat Tola und er hat einen gewaltigen Vorsprung vor den anderen. Sein Laufstil ist immer noch geschmeidig und er sieht nicht so aus, als ob ihm die verbleibende Laufstrecke Schwierigkeiten bereiten könnte. Nach und nach erreichen die Läufer Kilometer 41 und zu meiner großen Überraschung läuft Richard Ringer, ein Deutscher an zwölfter Stelle liegend an uns vorbei.
Den restlichen Tag verbringe ich zusammen mit den anderen in Cafes, Restaurants und schlafend in einem Park in der Nähe des Louvre, wo sich Silvia, Sarah und Erik zum Kulturprogramm und zur Besichtigung der Mona Lisa treffen. Nach einem marokkanischen Abendessen genießen wir zum Tagesabschluss die Aussicht von der zweiten Etage des Eiffelturms auf das nächtliche Paris und auf die olympischen Aktivitäten in den hell beleuchteten Sportstätten.
9. August 2024
Die Leichtathletik bildet mit ihren Disziplinen das Herzstück der Olympischen Spiele. Ohne Leichtathletik gibt es kein Olympia. Es war für mich immer klar, dass ich mindestens ein oder zwei Leichtathletikwettbewerbe sehen muss, um mit gutem Gewissen behaupten zu können, ich habe Olympia besucht. Bereits vor einigen Tagen war das geschehen, als ich ein Abendticket hatte, und heute früh um 10 Uhr gehe ich mit Erik und Henri im Schlepptau zum inzwischen vertrauten Stade de France. Morgens finden zwar nur Qualifikationen und vielleicht das eine oder andere Halbfinale statt, aber dennoch herrscht tolle Leichtathletikatmosphäre im Stadion. Wir sitzen direkt oberhalb der Startblöcke und ich kann einige ganz nette Fotoaufnahmen machen, als ich plötzlich eine WhatsApp Nachricht mit einem Bild von uns dreien sichtbar in den Stadionreihen und vertieft dreinblickend, bekomme. Da scheint noch jemand im Stadion zu sein, der uns kennt und mir fällt ein, dass Dietrich, ein Freund aus Ehningen erwähnt hatte, dass auch er am Ende von Olympia nach Paris kommen wollte und unter anderem auch Leichtathletiktickets erworben hatte. Ich versuche ihn mit dem Teleobjektiv auf der Gegenseite der Tribüne zu lokalisieren aber leider ohne Erfolg.
Wir verlassen die Leichtathletikveranstaltung bereits vor ihrem Ende, da wir für 14:30 Tickets zum Taekwondo haben. Die Taekwondo-Wettkämpfe finden im Grand Palais statt, wahrhaftig ein besonderer Ort für einen Sportwettkampf. Es gibt nicht wie beim Ringen drei Matten, auf denen parallel Kämpfe stattfinden sondern eine große Matte, die genau einem Kampf Platz bietet. Taekwondo als Sportart ist für mich völlig unbekannt und ich lerne die wichtigsten Regeln erst während des Wettkampfs. Es scheint so, dass ein Kämpfer eine Wertung zugesprochen bekommt, wenn er mit dem Fuß einen Treffer an den Kopf oder Oberkörper des Gegners setzen kann. Dabei gelten wohl schon leichte Berührungen und häufig wird die Schiedsrichterentscheidung angefochten und per Videobeweis überprüft. Manchmal passieren auch Dinge, die ich nicht verstehe und auch nach intensivem Nachdenken nicht erklären kann, aber alles in allem haben wir, inzwischen wieder zur Fünfergruppe angewachsen, eine Menge Spaß gehabt und eine Menge dazugelernt.
8. August 2024
Es gibt Sportarten, die scheinen zumindest in Deutschland auszusterben. Ringen ist eine davon. Ich war als Jugendlicher einmal Zuschauer bei einem Ringerwettkampf des legendären TSV Musberg und war damals beeindruckt von der Stimmung in der Halle und den schwitzenden Athleten, die mehr oder weniger in Griffnähe ihre Ringkämpfe austrugen. Also hatte ich mir ein Ticket für die Ringerwettkämpfe in der Arena Champs-de-Mars gesichert. Die Arena liegt in der Nähe des Eiffelturms und ist wie alle Sportstätten bei Olympia 2024 sehr gut gefüllt. In der Mitte der Halle befinden sich drei Matten, worauf jeweils ein Ringkampf in verschiedenen Gewichtsklassen parallel zu den anderen ausgetragen wird. Deutsche Ringkämpfer gibt es an diesem Tag selbst in den Vorrunden keine, dafür aber jede Menge Athleten aus osteuropäischen und asiatischen Ländern sowie der USA. Ich habe einen recht guten Platz erwischt und es gelingen mir einige sehr gute Fotos. Stolz darauf und gut gelaunt fahre ich nach Ende der Veranstaltung mit einem Vorortzug nach Bondy, dem Geburtsort von Kylian Mbappe, dem wohl zur Zeit weltbesten Fußballer. In Bondy steht das Haus, in das ich heute zusammen mit den morgens in Paris neu angekommenen Silvia, Henri, Erik und Sarah, einziehen möchte. Das klappt gut, denn Jaabir, der Vermieter hat den bei AirBNB normal gewordenen kontaktlosen Check-in gut vorbereitet.
Nach einem kurzen Einkauf und einer Tasse Instant Nescafe fahren wir mit Zug und Metro zur Arena Paris Sud 4, in der um 20:00 das Halbfinale der Tischtennisdamen stattfindet. Es hätte kaum besser laufen können, denn genau dieses Halbfinale hatte in den Tagen zuvor die deutsche Damenmannschaft erreicht. Der Gegner heißt Japan und ist klar favorisiert. Japan gewinnt auch jedes Spiel deutlich mit Ausnahme des Einzels gegen Anett Kaufmann, die mit ihren gerade mal 18 Jahren ihre japanische Gegnerin an die Wand spielt. Ich kannte Anett vor diesem Auftritt nicht aber man muss kein Experte sein, um zu sehen, dass sie sich in kurzer Zeit unter die Top Ten der Tischtennisweltrangliste der Damen katapultieren wird.
7. August 2024:
Der ganze Gare de St. Lazare leuchtet tieforange. Die niederländischen Hockeyfans werden wohl den Lautstärkepegel im Damenhockeyhalbfinalspiel Niederlande gegen Argentinien andauernd hochhalten. Leider hatten die deutschen Hockeydamen ihr Viertelfinalspiel gegen Argentinien verloren, so dass das olympische Turnier für sie bereits beendet war. Ich überlege kurz, ob mir eine der beiden Mannschaft so sympathisch ist, dass ich mit ihr mit fiebern kann, aber mein Bauch kommt zu keinem klaren Ergebnis.
Das Spiel ist dann eine klare Angelegenheit, denn die holländische Mannschaft ist das deutlich bessere Team. Am Ende steht es 3:0 für Oranje und ich wandere inmitten der jubelnden holländischen Fans zurück an den Bahnhof, um dann in einem völlig überfüllten Zug zurück in das Pariser Stadtzentrum zu fahren.
Wer hatte diese geniale Idee den Beachvolley Ball Court direkt unter den Eiffel-Turm zu legen? Hell beleuchtet mit den Olympiaringen ausgestattet ragt der Turm in den Nachthimmel während die Beachvolley Ball Gemeinde das siegreiche Team abfeiert. Die zwei Norweger haben ihr Match gewonnen und werden morgen im Halbfinale gegen die deutsche Mannschaft antreten müssen. Das Spiel war nicht hochklassig und der Spielverlauf mit klaren 2:0 Sätzen eher wenig spannend aber die Stimmung unter dem Eiffelturm war großartig.
6. August 2024:
Vaires-sur-Marne heißt das ca. 40 Kilometer von Paris entfernt liegende Wassersportzentrum. Dort finden heute die Kanu Sprint-Vor- und Zwischenwettbewerbe auf Flachwasser statt. Kanufahrer knien dabei im Boot und verwenden jeweils ein Einblattpaddel auf einer Seite, während Kajakfahrer sitzen und ein Doppelblattpaddel verwenden. Die Teilnehmenden treten an diesem Tag zu zweit oder zu viert in einem Boot an und messen sich mit anderen Booten in Sprints über verschiedene Distanzen (Frauen über 200 m oder 500 m, Männer über 500 m oder 1000 m). Nur die zwei schnellsten Boote pro Rennen erreichen sicher das Finale, jedoch qualifizieren sich abhängig vom Wettbewerb auch noch die zwei oder drei zeitschnellsten Boote für die nächste Runde. Jeder Wettkampf ist zwar in sich spannend, aber die fünf- bis zehnminütigen Pausen zwischen den Rennen sind echte Stimmungstöter. Zurück zur Metro fahre ich mit einem Shuttle, das die fußkranken Zuschauer umsonst vom Stadioneingang zum Bahnhof bringt. Ich muss die ganze Tagestour sachte angehen, denn vier weitere Sporttage warten auf mich.
Keine drei Stunden später bewege ich mich erneut innerhalb von Menschenmassen in Richtung Vorortzug, dieses Mal den RER E, der mich zum Stade de France bringt. Für heute Abend habe ich ein echtes Highlight Ticket erstanden.
Drei Stunden Leichtathletik pur, live in einem vollen Stadion in einer großartigen Atmosphäre. Es finden parallel Medaillenwettkämpfe statt im Diskuswerfen und 200 Meter-Lauf der Damen sowie im Weitsprung und 800 Meter-Lauf der Herren. Auffällig ist dass die meisten Athleten dunkelhäutig sind. Deutsche Athleten sieht man kaum an diesem Abend. Wieso die Briten, Franzosen und selbst die Niederländer häufiger am Start sind, verstehe ich nicht aber irgendwas scheint der Deutsche Leichtathletikverband falsch zu machen.
5. August 2024:
Nach den Geburtstagsfeierlichkeiten zuhause bin ich wieder in Paris angekommen. Gleicher Ablauf wie bei der ersten Ankunft vor gut einer Woche und ich habe das Gefühl ich tue das jeden Tag. Im Gare de L'Est kaufe ich einen 7-Tage-Verbundpass für den Pariser Nahverkehr und freue mich, dass inzwischen hier alles online funktioniert und der lästige Metroticketkauf am Automaten vor dem Zugang zu den Zügen entfällt. Mit der Metro 5 sind es dann nur ein paar Stationen nach Laumiere, der Gegend, in der mein Studio für die nächsten drei Nächte liegt. Das Studio ist klein und das WC liegt außen im Flur, war dafür aber etwas preiswerter als das Appartement, in dem ich letzte Woche war. Die Gepäcktasche ist schnell abgestellt und ich fahre zur Notre Dame. Die Kirche war vor einigen Jahren beinahe komplett abgebrannt und ist jetzt wieder soweit hergestellt, dass man bereits wieder Teile davon besichtigen kann. Eine Seine-Bootsfahrt mit Musik schließt den Abend ab und wie an jedem Tag, an dem ich in dieser Stadt bin, falle ich abends wie tot in mein Bett.
31. Juli bis 4. August 2024
Ich bin zuhause und feiere mit Silvi ihren 60. Geburtstag.
30. Juli 2024
Ich stehe an einer Bushaltestelle weit außerhalb des Pariser Zentrums und ahne, dass hier irgendwas nicht stimmt. Es sind außer mir keine Touristen da, obwohl laut Google Maps der Veranstaltungsort Roland Garros, wo das Olympiatennisturnier ausgetragen wird, ganz in der Nähe liegt. Der Bus hätte bereits vor zehn Minuten hier sein sollen und an der Haltestelle warten so viele Menschen, dass ich gar nicht sicher bin, ob ich überhaupt einen freien Platz darin finden werde. Mit Hilfe eines Taxifahrers finde ich heraus, dass ich wohl heute nach dem Frühstück das falsche Ziel in Maps eingegeben habe. Das richtige Stade Roland Garros liegt daher ungefähr eine Stunde von der Bushaltestelle entfernt:-(.
Abgehetzt und mit nicht allzu guter Laune komme ich um 14:30 im Stade Roland Garros an. Die Veranstaltung hat bereits um 12:00 begonnen und ich höre den aufbrausenden Jubel vom Center Court. Ich zeige einem Freiwilligenhelfer mein Ticket und zu meiner großen Überraschung zeigt er weg vom Center Court in eine andere Richtung, in die zwar einige Menschen unterwegs sind, aber au der kein Lärm oder Jubel zu hören ist. Jetzt erst verstehe ich was für ein Ticket ich gekauft habe. Es handelt sich um eine Eintrittskarte zum Nebenplatz Simonne Mathieu mit Sitzplatzreservierung im Block 23. Irgendwie kommt mir der Name des Platzes bekannt vor und ich glaube mich erinnern zu können, dass es auf diesem Platz in der Vergangenheit bei großen Turnieren viele denkwürdige Favoritenstürze in den Anfangsrunden gab. Der Platz ist schön angelegt in einem Gartengrundstück, aber der mir zugewiesene reservierte Sitzplatz liegt direkt inmitten einer Tribüne, die komplett der Mittagssonne ausgesetzt ist. Die Tribüne ist mehr oder weniger komplett leer und ich registriere, dass viele Zuschauer unterhalb der oberen Sitztribünen in einem schattigen Bereich von einer etwas entfernten Position das Tennisspiel beobachten. Es spielt gerade eine Tschechin namens Barbara Krejcikova gegen die Ukrainerin Elina Svitolina - beides Tennisspielerinnen nicht unter den ersten Top 20 der Weltrangliste. Ich schaue mir ein paar Ballwechsel an und fotografiere ein wenig, aber der von mir eingenommene Stehplatz im Schatten ist nicht sehr bequem und das Spiel könnte auch etwas spannender sein. Ich beobachte, wie auf der schattigen Seite der Sitztribüne in einer Spielpause ein Pärchen aufsteht und nach außen geht. Mit etwas Glück hat er Hunger und sie muss auf die Toilette, so dass die Sitzplätze für die nächsten 30 bis 45 Minuten unbesetzt bleiben würden. Etwas frech gehe ich mit selbstsicherer Mine an dem zuständigen Platzeinweiser vorbei und setze mich auf einen der beiden freien Stühle. Ich erlebe auf diesem Platz wie die Tschechin die Ukrainerin den ersten Satz abnimmt und verfolge große Teile des zweiten Satzes, aber irgendwie reißt mich die Partie nicht mit. Obwohl das Pärchen sich wohl immer noch auf der Toilette oder woanders befindet und mein Platz deshalb weiter verfügbar gewesen wäre, stehe ich auf und verlasse das Stade Roland Garros in Richtung der Metrostation Michel-Ange-Molitor, eine Haltestelle der Metro-Linie 9. Ich muss rechtzeitig los, denn um 17:52 fährt mein TGV zurück nach Stuttgart Hauptbahnhof. Etwas missmutig schaue ich im Zug sitzend nach was mich das Tennisticket gekostet hat und schreibe die 90 Euro gedanklich als Fehlinvestition ab.
29. Juli 2024
Die Grundregeln des Rugbyspiels kenne ich etwas aus der Zeit, die ich geschäftlich in USA verbracht habe und American Football in allen Fernsehsendern lief. Es blieb einem damals kaum was anderes übrig, als sich mit der Sportart zu beschäftigen, um die langen Abende nicht rätselratend und unwissend vor dem Fernseher zu verbringen. Das Regelwerk des American Football ist vom britischen Fußball und Rugby abgeleitet und laut Wikipedia ist der Hauptunterschied, dass American Football Ballwürfe nach vorne erlaubt während Rugby-Spieler den Ball ausschließlich nach hinten werfen dürfen. Diese vereinfachte Sichtweise dürfte für den heutigen Rugby-Nachmittag ausreichen, für den ich mir ein Ticket zum Damen-Rugby Sevens im Stade de France erworben hatte.
Der Spielbeginn ist um 14:00 und bis zum Stadion ist es ein langer Weg. Aufgrund der erwarteten Zuschauermassen unterwegs in der Metro und auf den Straßen, mache ich mich nach einem ausgedehnten Frühstück mit viel Avocado und mit einer glücklicherweise abflachenden Erkältung auf den Weg in den Pariser Norden in das Departement Saint Denis. Saint-Denis ist das ärmste Department Frankreichs, aber auch das jüngste, bunteste, lebendigste und kontrastreichste. Es hat einerseits die höchste Kriminalitäts- und Drogenrate des Landes aber bringt auch Sportler von Weltformat wie Kylian Mbappé hervor und unterhält das Stade de France, einst für die Fußballweltmeisterschaft 1998 gebaut.
Abends beschließe ich den Jardin des Tuileries zu besuchen, da sich dort bei Dunkelheit das Olympische Feuer an einem Heißluftballon hängend ungefähr dreißig Meter über dem Erdboden befindet. Diese gigantische Idee spielt an auf die Gebrüder Montgolfier, die 1783 am selben Ort wie das olympische Feuer zum ersten Mal mit einem Heißluftballon aufstiegen.
28. Juli 2024
Ich kann es kaum glauben aber die Pariser Sonne hat den Dauerregen von gestern verdrängt. Direkt vor meiner Unterkunft spielt sich buntes, unaufdringliches Stadtleben ab. Leider bin ich gesundheitlich etwas angeschlagen, so dass ich mir öfters die Nase putzen muss und nicht in vollen Zügen genießen kann.
Um 17 Uhr beginnt heute die erste Sportveranstaltung für die ich Tickets erworben habe. Damals wusste ich nur dass ich Karten für ein Damenfußballspiel gekauft hatte, jedoch war noch offen welche Mannschaften gegeneinander antreten werden. Die olympische Losfee hat es wohl gut mit mir gemeint und mit Brasilien und Japan zwei interessante Gegner ermittelt. So gegensätzliche Frauen - sowohl die Tugenden als auch das Aussehen komplett verschieden. Die rassigen spielfreudigen Brasilianerinnen, manchmal leichtfertig und übermütig gegen die disziplinierten fleißigen Bienenkrieger aus Japan. Wer würde da wohl siegen? Ich hatte es beinahe kommen sehen. Die Brasilianerinnen waren technisch überlegen und gingen 1 zu 0 in Führung doch mit zunehmender Dauer ließen die Kräfte der Brasilianerinnen nach und die Japanerinnen erzielten kurz vor Schluss das 1 zu 1. Wer jetzt gedacht hatte das Spiel sei vorbei hatte sich getäuscht. Die Japanerinnen rannten immer noch wie die Bienen und gewannen am Ende noch 2 zu 1. Mein persönliches Highlight fand nach dem Schlusspfiff statt. Zwei Japanerinnen, die vom Trainer 10 Minuten vor Spielende zum warm laufen geschickt wurden, sprinteten nach Spielende mit vollem Einsatz immer noch die Seitenlinie hoch und runter. Vermutlich hatte der Trainer vergessen sie zurück zu rufen. Ich vermute sie würden heute noch laufen, wenn er das nicht irgendwann nachgeholt hätte. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt das Stadion Parc des Princes bereits verlassen und mit der Pariser Metro den Heimweg angetreten.
27. Juli 2024
Der ICE nach Paris fährt mit wenigen Minuten Verspätung ab vom Gleis 9 des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Bereits zwei Stunden früher um 5 Uhr klingelte der Wecker und nach zwei Tassen Kaffee fährt mich Silvia nach Stuttgart, wo ich angenehm verwundert über diese Pünktlichkeit an einem mit bereits drei Personen belegten Vierertisch im Wagen 24 des ICE Platz nehme. Nach all der Kritik, die in letzter Zeit auf die Deutsche Bahn einprasselt, ist es auch mal an der Zeit das Unternehmen für diese reibungslose und angenehme Zugfahrt zu loben.
Während ich mich mit meiner heutigen Tagesplanung beschäftige, lausche ich mit halbem Ohr der Unterhaltung, die die Dreiergruppe an meinem Tisch führt. Es handelt sich um eine Frau in meinem Alter, die mit ihren zwei erwachsenen Söhnen ebenfalls die Olymischen Spiele besucht. Beide Söhne sind bestens vorbereitet und haben jede Menge Detailwissen über diverse Randsportarten, so dass ich mich frage ob sie in den letzten Monaten auch noch anderen Dingen als Olympiasport nachgegangen sind.
So gut vorbereitet bin ich lange nicht, aber bei der Ankunft in Paris weiß ich zumindest, dass ich erstmal meine Unterkunft in der Nähe des Place de la Bastille aufsuchen möchte, um mein Gepäck abzustellen. Das klappt wunderbar, denn Vincent, mein AirBnb-Vermieter zeigt sich sehr flexibel und ermöglicht mir bereits jetzt um die Mittagszeit Zugang zu meinem kleinen Appartement.
Ich bleibe nur kurz, denn ich möchte versuchen die heute ab 14.30 stattfindenden Einzelzeitfahren im Strassenradrennen der Damen und der Herren live zu verfolgen. Für beide Veranstaltungen ist kein Eintrittsticket erforderlich, da sich die 32,4 Kilometer lange Radrennstrecke auf öffentlichen Straßen befindet. Es handelt sich bei diesem Wettbewerb um ein Rennen gegen die Uhr und die Rennfahrer dürfen nicht im Windschatten eines Konkurrenten fahren. Daher ist für den Zuschauer an der Strecke auch kein direkter Vergleich zwischen den Rennfahrern möglich, so dass es fast unmöglich ist Rennzwischenstände zu verfolgen. Ich konzentriere mich deswegen auf das fotografieren der Rennfahrerinnen aber bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 40 km/h ist es schwierig gute Fotos hinzubekommen. Da die Stimmung am Place de la Nation bei strömendem Regen auch noch nicht olympiareif ist, beschließe ich meinen Standort für das Herrenradrennen zu wechseln und gehe zum ungefähr ein Kilometer entfernten Place de Bastille. Unterwegs höre ich noch von einigen vorbeigehenden Passanten, dass wohl eine Australierin die Goldmedaille gewonnen hat.
Am Place de la Bastille ist eine wesentlich bessere Stimmung und die vielen Menschen feuern die vorbeifahrenden Rennfahrer an. Hier gewinnt der belgische Favorit und ich kann mich wie schon bei den Damen nicht daran erinnern den Gewinner auf der Rennstrecke gesehen zu haben.
Irgendwann im Juni 2024
Einmal in meinem Leben möchte ich Olympia miterleben. Das olympische Motto "Dabei sein ist alles" soll nicht nur für die Athleten gelten, sondern auch für mich. Bereits seit vielen Jahren spiele ich mit dem Gedanken, die Olymischen Sommer- oder Winterspiele zu besuchen, aber es gab immer triftige Gründe dies nicht zu tun. Fehlende Zeit, zu teure Eintrittskarten, die Auswirkungen von machtbesessener Politik, unattraktive Austragungsorte, und zuletzt Corona, das die Spiele in Tokyo massiv beeinträchtigte, waren solche Gründe. Dieses Mal jedoch waren die Spiele für Paris geplant. Eine Stadt, in der ich mich schon immer wohl fühlte und die vielversprechend auf gigantische Momente hoffen ließ. Zu meiner großen Freude ließen sich Silvi und meine beiden Söhne Erik und Henri mit ihren Freundinnen Sarah und Jacqueline davon überzeugen mich die letzten drei Tage der Spiele zu begleiten.
Ganz meinem Wunsch folgend hatte ich mich bereits im Dezember 2022 für die Auslosung des Zugangs zum Erwerb von Eintrittstickets auf einer offiziellen Olympia-Webseite registriert. Als ich Mitte Februar 2023 die Nachricht bekam für ein zweitägiges Zeitfenster den Zugriff zu einem Teil der Tickets zu erhalten, war meine Freude gross. Pünktlich auf die Minute saß ich erwartungsvoll vor meinem PC und wartete ungeduldig auf den Beginn meines Zeitfensters. Schon kurz nach dem Betreten des Ticket-Shops realisierte ich welche Eintrittspreise hier gehandelt wurden. Zudem gab es wirklich nur eine kleine Auswahl an Eintrittstickets im Angebot. Naja, dass ich eine Eintrittskarte zu den Leichtathletik-Medaillenkämpfen nicht für den gleichen Preis wie eine Eintrittskarte zum B-Block meiner geliebten Stuttgarter Kickers erwerben konnte, war schon klar aber bei Preisen über 100€ pro Ticket, konnte einem der Appetit auf Olympia schon vergehen. Beim studieren der angebotenen Tickets kam mir jedoch die Erkenntnis, dass hier fast nur die besseren Platzkategorien angeboten wurden und ich wohl einfach Geduld haben musste bis auch preiswertere Kategorien in den Verkauf kommen würden. Nichtsdestotrotz wurde ich zumindest bei einigen interessanten Randsportarten fündig und bestellte relativ günstige Tickets für Wettbewerbe im Tischtennis, Taekwondo, Hockey, Ringen, Fußball und Rugby. Als Goodie, für den Fall der Fälle, dass sich meine Geduld nicht ausbezahlen sollte, bestellte ich zusätzlich noch Eintrittskarten für Beach Volleyball und Tennis.
Und in der Tat kamen später ab Ende des Jahres 2023 auch erschwingliche Leichtathletiktickets in den freien Markt, von denen ich mir ein Abendticket für den Besuch von Medaillenwettkämpfen und drei Tagestickets für Erik, Henri und mich besorgen konnte. Damit fehlten in meinem Portfolio immer noch Wunschsportarten wie Basketball, Springreiten und Handball aber im großen und ganzen war ich doch mit meiner Ausbeute zufrieden.